Kopernikus 4
Eine große, mondgesichtige Frau in einem grünen Pyjama. Er hat sich nie besonders um Gespräche mit Frauen gekümmert. Ironie …
„Ich schätze“, sagt er laut, „es ist möglich, daß wir in gewissem Sinne gar nicht hier sind.“
Das klingt nicht besonders klar, doch sie nickt interessiert. Sie beobachtet meine Reaktionen, sagt Lorimer zu sich selbst. Frauen sind von Natur aus Giftmischer. Hat er auch das laut ausgesprochen? Ihr Gesichtsausdruck ändert sich nicht. Plötzlich wird sein Blick lokal erfreulich klar. Connies Haut macht einen gesunden, kräftigen Eindruck. Olivfarben, sogar noch nach zwei Jahren im All. Sie war eine Bäuerin, erinnert er sich. Große Poren, aber ohne das übliche teigige Aussehen von Frauen ihres Alters.
„Du hast wahrscheinlich noch niemals Make-up aufgetragen“, sagt er. Sie blickt verwirrt drein. „Gesichtsfarbe, Puder. Keine von euch hat so etwas.“
„Oh!“ Ihr Lächeln entblößt einen angebrochenen Frontzahn. „Oh doch. Ich glaube, Andy hat es.“
„Andy?“
„Für Spiele. Historische Spiele. Darin ist Andy große Klasse.“
„Natürlich. Historische Spiele.“
Lorimers Gehirn scheint sich auszudehnen, es läßt Licht einströmen. Nun versteht er die Myriaden Teile und Stückchen, die zusammen ein Muster ergeben. Tödliche Muster, argwöhnt er, doch die Droge schirmt ihn irgendwie ab. Wie der Glückszustand von Amphetamin, allerdings ohne den Druck. Vielleicht ist das etwas, was sie sozial benützen? Nein, auch sie sehen zu.
„Weltraumhäschen, das kann ich noch immer kaum fassen.“ Bud Geirr lacht ansteckend. Er hat eine freundliche, angenehme Stimme, die die Leute mögen; Lorimer mag sie auch – noch immer, nach zwei Jahren.
„Ihr Mäuschen habt doch Kinder zu Hause – was halten denn eure Leute davon, wenn ihr hier mit dem alten Andy durch die Gegend fliegt, hmm?“ Bud schwebt in seinen Sichtbereich, seinen Arm um die Schulter eines der Zwillinge gelegt. Die, die sich Judy Paris nennt, entscheidet Lorimer; die Zwillinge sind nur schwer zu unterscheiden. Sie treibt passiv, angewinkelt, neben Buds Körper, ein flachbrüstiges, schmales Mädchen in einem flatternden gelben Pyjama, ihr schwarzes Haar steht wirr vom Kopf ab. Andys roter Kopf schwimmt auf sie zu. Er hält einen großen, grünen Weltraumball und sieht aus wie sechzehn.
„Der alte Andy.“ Bud schüttelt den Kopf, ein Grinsen zuckt unter seinem dichten, dunklen Schnurrbart. „Als ich noch in eurem Alter war, ließen die Leute nicht so einfach ihre Frauen mit mir herumfliegen.“
Connies Lippen schmatzen leise. In Lorimers Kopf formen sich die Fragmente langsam zu einem Bild. Ich weiß, denkt er. Aber weißt du, daß ich es weiß? Sein Kopf ist ungeheuer groß und kristallin, wirklich sehr hübsch. Das Denken fällt leichter. Frauen … Keine kompakte Manifestation formt sich in seinem Kopf, lediglich einige sprechende Gesichter auf einer Matrix durchdringender Irrelevanz. Menschlich, natürlich. Biologische Notwendigkeit. Nur so … so … diffus? Konturlos? Seine Schwester Amy, soprano con tremulo: Natürlich können Frauen ebensoviel beisteuern, wenn ihr uns gleichberechtigt behandeln würdet. Du wirst sehen! Und dann heiratete sie diesen Idioten zum zweiten Mal. Nun, und jetzt kann er sehen.
„Kudzureben“, sagt er laut. Connie lächelt. Wie sie alle lächeln.
„Wie findet’n ihr das?“ sagt Bud glücklich. „Hättet ihr euch jemals träumen lassen, mal Hühner schwerelos zu sehen? He, Dave? Juchu!“ Von jenseits der Kabine wendet Dave ihm seinen bärtigen Kopf zu.
„Und der olle Andy hatte alles für sich allein! Mach mal’n paar Kunststückchen, Junge!“ Er schubst Andy sanft mit dem Arm, Andy kann sich aber am Schott wieder abfangen. Bud kann unmöglich betrunken sein, denkt Lorimer; nicht von dem bißchen Fruchtwein. Aber normalerweise spricht er auch nicht so undeutlich. Eine Droge?
„He, keine Beleidigungen“, sagt Bud ernst zu dem Jungen. „Ich meine, was ich sage. Du mußt einem unterprivilegierten Bruder vergeben. Die Mäuschen sind schon in Ordnung. Weißt du was?“ wendet er sich an das Mädchen. „Du kannst erstaunlich aussehen, wenn du dich auf einen Fleck konzentrierst. He, das kann ich dir sagen, darin ist der olle Buddy ein Experte. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich Unsinn schwatze. Du siehst auch im Augenblick schon erstaunlich genug aus.“
Er umklammert ihre Schultern, streckt einen Arm aus und umklammert auch Andy. In seinem Griff
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