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Kopernikus 4

Kopernikus 4

Titel: Kopernikus 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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holen wir raus.“ Er grinst.
    Wir laufen im Trab; wir schieben Äste zur Seite und spritzen durch schneebedeckte Stellen. Wampe sieht ungeduldig aus. Ich habe Angst. Worauf habe ich mich eingelassen? Wo laufen wir hin? Ich will raus. Das ist Wahnsinn. Meine Hand mit dem Gewehr zittert. Mir wird gleich wieder schlecht.
    Der Krieg fegt über uns hinweg.
    Einer der Gorillas vor mir stolpert plötzlich, und ringsumher fallen mit einem Mal Schüsse. Er stürzt, sein Kopf verdreht sich grotesk, sein Gewehr fliegt in eine Schneewehe, und eine Blume aus Blut erblüht auf seiner Brust. Tot, tot, denke ich. Wir wissen nicht, woher der Schuß kam. „Ein Heckenschütze“, brüllt Wampe. „Deckung! Geht in Deckung!“
    Dann ist er weg, verschwunden, irgendwo am Boden. Die anderen verschwinden ebenfalls. Nur ich bin noch da, ich stehe über dem Leichnam und blinzle auf ihn hinunter, erstarrt und unentschlossen.
    Wieder fällt ein Schuß, eine ganze Reihe von Schüssen. Ich höre sie pfeifen und fühle mich seltsam sicher. Man sagt, die Kugel, die einen umbringt, hört man nicht.
    Dann greift jemand nach mir, zerrt an mir, reißt mich zu Boden und stößt mich zwischen die Bäume. Stancato natürlich. Er läßt sich neben mich fallen, seine Augen sind wachsam, und er hat sein Gewehr schußbereit in der Hand. Ich habe meines fallen lassen. Es liegt da draußen neben der Leiche. Und ich weine. Wenigstens sind meine Wangen naß.
    Stancato ignoriert mich. Er hebt sein Gewehr und feuert; die schwarze Mündung spuckt einen tödlichen Schwall zwischen die Bäume. Kamen die Schüsse von dort? Ich weiß es nicht. Ich habe es nicht gemerkt. Aber er anscheinend. Jetzt schießen auch andere. Unsere Jungs, denke ich. Aber ich nicht. Ich nicht. Ich habe mein Gewehr verloren.
    Dann eine lange, atemlose Stille. Stancato wartet, die Hände fest um das Gewehr gelegt, und seine Augen bewegen sich die ganze Zeit. Die andern warten auch. Niemand bewegt sich, niemand feuert. Eine Ewigkeit des Wartens verstreicht.
    Der Abend dämmert. Ganz plötzlich fällt mir das auf, als ich sehe, wie das Zwielicht durch das Immergrün kriecht und den Wald in Grau einhüllt. Viel Zeit ist vergangen. Aber wir rühren uns nicht. Wir wissen nicht, ob wir den Heckenschützen erwischt haben oder ob er weg ist oder ob er da draußen wartet, lauernd, mit seinem Gewehr hungrig darauf wartet, daß sich einer von uns bewegt. Also bleibt Stancato, wo er ist. Ich auch. Ich mache mich nicht zur Zielscheibe. Außerdem kann ich auch kaum etwas anderes tun. Ich habe mein Gewehr verloren.
    Endlich, als es fast ganz dunkel ist, bewegt sich jemand. Ein kurzer Sprint, von hier nach dort zwischen den Bäumen, dann noch einer. Dann ein plötzlicher Feuerstoß, der über die Position des Heckenschützen hinwegharkt, oben in den Felsen. Und schließlich kommt ein Kopf aus der schwarzen Finsternis. Das Nachtsichtgerät heruntergeklappt, halb gebückt, schiebt sich die Vogelscheuche ins Freie. Nichts passiert. Der Gefag ist tot oder hat sich davongemacht.
    Plötzlich taucht Wampe auf, ein mächtiger Schatten im Dunkel. Er beugt sich über den Leichnam, berührt ihn und schüttelt den Kopf. Ob es ihm wohl wirklich leid tut? Oder ist er bloß sauer, daß der Feind einen Abschußpunkt mit seinem Kumpel gemacht hat? Eher das letztere. Er ist nicht von der mitleidigen Sorte.
    Stancato steht auf und geht ins Freie, selbstsicher und lächelnd. Ich zögere und folge ihm dann. „Meinst du, wir haben ihn?“ fragt er.
    Wampe zuckt die Achseln. „Weiß nicht. Müssen mal nachsehen. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist er auch abgehauen.“
    Sie sehen nach, Stancato und Wampe; sie gehen hinüber zu der Stelle, von der die Schüsse gekommen waren. Wir anderen warten. Vogelscheuche beäugt mich voller Abscheu. Ich winde mich unter seinem Blick, sehe den anderen Mann an und schaue schnell wieder weg, als ich sehe, daß er mich ignoriert. Sie mögen mich beide nicht. Ich merke das. Ich war erstarrt. Für sie bin ich ein Feigling. Ich muß mich bewähren. Stancato nicht. Nein, der nicht. Der hat alles richtig gemacht, wie immer. Ich wische mir nervös die Hände an der Jacke ab. Dann bücke ich mich mit rotem Kopf und hebe mein Gewehr auf. Warum habe ich das nicht schon eher getan? Warum habe ich nicht gekämpft? Verdammt noch mal, Birch, wieso mußt du immer alles verkehrt machen?
    Stancato und Wampe kommen zurück. Stancato schlägt mir auf den Rücken. Immer gesund und munter, ja, Sir.

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