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Kopernikus 4

Kopernikus 4

Titel: Kopernikus 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Immer nett, auch zu Feiglingen, der leutselige Bastard. Er lächelt mich an. „Sieht aus, als sei er entkommen“, sagt er. „Wir müssen ihn verjagt haben.“
    „Hör mal“, sage ich, und mir versagt fast die Stimme, „ich wollte mein Gewehr nicht fallen …“
    Stancato schneidet mir das Wort ab. „Mach dir nichts draus. Wichtig war, in Deckung zu gehen.“ Er zeigt auf die Leiche. „Der hat sein Gewehr behalten. Hat ihm nicht viel geholfen, oder? Es ist besser, dich lebend zu haben; tote Helden brauchen wir nicht.“
    Wampe hat zugehört. Jetzt nickt er zögernd. „Yeah, da ist vielleicht was dran.“ Dann sieht er mich an. „Aber paß auf, Kleiner. Wenn du noch mal festfrierst, bringst du uns alle um. Dein Kumpel hätte sterben können, weißt du.“
    Ich lächle matt. Etwas anderes kann ich nicht tun. Sie verzeihen mir also. Wie gottverdammt großzügig von ihnen. Und es kommt natürlich alles von Stancato. Er macht das gern mit mir. Er weiß, wie ich ihn hasse, und er weiß, wie unangenehm es mir ist, wenn ich ihm dankbar sein muß. Dieses Schwein. Nicht genug damit, daß er mich die ganze Zeit bloßstellt, bis ich mir wie ein Idiot vorkomme, nein, er will auch, daß ich ein dankbarer Idiot und glücklich über sein Interesse an mir kleinem Wicht bin. Scheiße, Scheiße, Scheiße.
    Dunkelheit hängt über dem Wald. Die anderen haben ihre Nachtsichtgeräte heruntergeklappt. Ich lasse meines auch herunter, und die Bäume verwandeln sich in starre schwarze Schatten auf einem roten Hintergrund. Nur die Äste sind zu erkennen. Die Nadeln sind aus irgendeinem Grund unsichtbar. Ich schaudere kurz, oder vielleicht zittere ich auch bloß. Der Wald ist eine finstere Hölle geworden, voll von Holzkohlen-Skeletten und halb sichtbaren Gestalten. Ich glaube, die Dunkelheit war mir lieber. Aber ich lasse das Sichtgerät unten.
    Wir marschieren weiter, Wampe vorneweg und wir anderen in einer Reihe hinterher. Ich weiß nicht, wohin wir gehen oder weshalb. Es ist mir auch egal. Ich will nur, daß dies alles bald vorbei ist. Nur noch ein paar Stunden bis Mitternacht. Dann noch ein Tag und noch einmal Mitternacht, und das Wochenende ist vorbei. Und der Einsatzhubschrauber kommt zurück und sammelt uns ein. Mich. Ich hab’s bis jetzt geschafft. Vielleicht schaffe ich es ganz.
    Nächstes Wochenende spiele ich wieder Tennis. Ich brauche das hier nicht. Stancato vielleicht, aber der ist krank. Ich nicht. Für Birch ist hier Schluß.
    Ja. Ich kann es. Der Gedanke tröstet mich. Ich fasse mein Gewehr fester und marschiere einen Schritt schneller.
     
    Wir marschieren ein paar Stunden schweigend; man hört nur die schweren Atemzüge und das Knirschen des zu Eis gefrorenen Bodens, als es kälter wird. Ich denke nicht mehr an den Krieg, an Stancato und all das. Nur noch an meine Füße und an die Kälte. Meine Stiefel sind völlig durchnäßt, und die Nässe ist nach innen gedrungen. Meine Füße haben mich lange geschmerzt, aber das hat jetzt aufgehört. Taub. Aber morgen werden sie voller Blasen seil). Ich hasse Blasen. Ich wette, Stancato kriegt niemals Blasen. Ich wette, er hatte in seinem ganzen Leben noch keine Blase. Oder zum Beispiel einen Pickel. Er wäre viel erträglicher, wenn er mit einem Gesicht voller Pickel aufgewachsen wäre wie jeder normale Mensch.
    Der Wind weht ziemlich laut, er pfeift um die Kiefern und schneidet ganz furchtbar durch diese beschissene kleine Uniform. In einer Welt aus Rot und Schwarz wirkt diese beißende Kälte seltsam fehl am Platze. Blau und Weiß sind die Farben der Kälte. Das hier ist alles verkehrt. Aber ich fühle es trotzdem.
    Wir laufen. Ziellos? Wahrscheinlich nicht. Aber für mich schon. Stampf, stampf, stampf, die Jungs marschieren. Das ist der Krieg. Ein großer, total überschätzter Beschiß.
    Der Gedanke kommt und geht. Dann denke ich wieder an meine Füße und an die Kälte. Wie immer. Nichts anderes hält mich. Das Gewehr ist jetzt sehr kalt, der Kunststoff beinahe gefroren. Vielleicht ist es an meiner Hand festgefroren. Dann dürfte ich es kaum noch einmal fallen lassen, wenn sie wieder anfangen zu schießen.
    Und weiterlaufen. Immer schweigend. Atmen und Schritte vor mir und hinter mir. Aber ich weiß nicht, was los ist. Es muß jetzt nach Mitternacht sein. Es muß. Der Krieg scheint für die Nacht unterbrochen zu sein. Ich höre nichts. Aber vielleicht sind auch nur meine Ohren so müde wie alles andere von mir.
    Scheiß auf das alles. Mir ist alles egal. Mir ist kalt.

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