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Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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aus dem schmalen Graben, bis er den Körper des Mannes vom Kopf bis zum Gesäß freigelegt hatte. Wie er dort mit dem Gesicht nach unten im Lehm lag, sah der Mann aus, als sei er tot; seine Haut war kalt und von einem bleichen Grau, die Blässe des Todes. Seine Arme waren zu beiden Seiten ausgestreckt, und einem Impuls folgend schaufelte Farrel um den einen herum die Erde weg, bis die Finger ans Licht kamen. Sie waren in die Erde gekrallt, wie um sich festzuhalten.
    Als er den Kopf des Mannes umdrehte, empfand Farrel einen Anfall von Abscheu, ein vorübergehendes Ekelgefühl. Mund und Augen standen offen, und überall war Erde. Sie fiel von den bleichen Lippen, ein großer Klumpen Erde, trocken und von Würmern durchsetzt. Sie fiel aus den Nasenlöchern und aus den Ohren, sie bedeckte die Augäpfel und klebte unter den Lidern wie eine obszöne Blindheit.
    Der Mann war offensichtlich tot, aber sein Fleisch war fest – zwar kalt, aber nicht erstarrt wie bei einem kürzlich Verstorbenen, und auch nicht von jener sich bewegenden Verflüssigung, die zur Verwesung gehört. Farrel ließ den Körper zurückgleiten, legte sein Ohr auf den nackten Rücken und horchte nach dem Herzen.
    Eine ganze Weile hörte er nichts. Minuten verstrichen, und er war sicher, daß das Herz tot war. Dann …
    Ein einziger, kraftvoller Schlag. Unüberhörbar!
    Nach einer halben Stunde hatte Farrel sich vergewissert, daß das Herz des begrabenen Mannes einmal alle vier Minuten schlug, in einer kräftigen, auf unnatürliche Weise aufrechterhaltenen Kontraktion, als ob das Organ eine zähe Flüssigkeit durch die Gefäße zu pumpen hätte und nicht das dünnflüssige Blut, das es gewohnt war …
    Ein erschreckender Gedanke durchfuhr Farrel, und eine Sekunde lang dachte er daran, eine Vene in der Hand des Mannes zu öffnen – aber dann hielt ihn eine irrationale Furcht vor dem, was da vielleicht aus dem Körper tropfen würde, davon ab, bis ihm das Blut unter seinen Fingernägeln einfiel, und er war seltsam erleichtert.
    Er stand über dem Körper und starrte auf den untoten Leichnam hinunter; dann ließ er seinen Blick über das Land streifen. Die Frühlingsbrise war unangenehm auf seiner Kopfhaut, sie griff nach seinen von Lehm steifen Haarsträhnen und bog sie in alle Richtungen. Als er so auf der Hügelkuppe stand, begann ihn sein Make-up zu ärgern, und er wünschte sich, er könnte Leinenshorts und ein lockeres Baumwollhemd tragen, anstatt sich in eine Haut einzuwickeln, die nach ihrem vorigen Besitzer roch und die Fliegen anzog.
    Alles, bis auf diesen Friedhof, war so normal.
    Die Hügelgräber, der Crog, die Waffen und die Töpferarbeiten, die Jagd, die Sprache – alles war so, wie er es erwartet hatte: eine Kolonie der Jungsteinzeit, mit einem Bewußtsein von Religion, von ihrer Herkunft, ihrer Zukunft und ihrer Landwirtschaft, eine Kolonie, die seit ein paar Generationen in dieser grünen, fruchtbaren Landschaft lebte. Weiter im Süden und im Norden waren weitere Ansiedlungen. Farrel hatte Anzeichen von ihnen gesehen, und er hatte Berichte über sie gelesen, die frühere Expeditionen in dieser Zeit verfaßt hatten. Einige der Dorfgemeinschaften waren größer als die Tuthanach, andere zeigten schon unterschiedliche Methoden der Landwirtschaft. Sie alle schienen miteinander zu verkehren und sich zu vermischen (das hatte Tig gesagt), um Ideen auszutauschen, im Winter gemeinsame Jagdausflüge zu unternehmen, um ihre Kunstformen und die Techniken, mit denen sie sie in den Fels schnitten, zu vergleichen. Sie waren grundsätzlich friedliche Ackerbauern. Sie fürchteten die Stöhnenden aus der Erde und die Felsendiebe, die über das Meer kamen, ein paar Meilen im Osten. Aber zumeist lebten sie ohne Angst, sie wuchsen und reiften und bereiteten sich allmählich darauf vor, das neue Zeitalter der Bronze zu empfangen, das jetzt noch rund achthundert Jahre in der Zukunft lag, in einer Zeit, in der der neue Klang von Metall gegen Metall den Frieden dieses Landes zerstören würde.
    Alle diese Dorfgemeinschaften hatten sich vereint und hatten Burton, wie er berichtet hatte, in den ersten vier Tagen, die er im Tal verbrachte, begrüßt. Er hatte ihnen nicht gesagt, von wo er kam (sein Ankunftsort war derselbe wie Farrels), denn während die Ceinarc und die Tagda eine passive Furcht vor den Stöhnenden und den bretonischen Räubern hegten, empfanden sie gegen etwas anderes eine gesunde, aktive Feindschaft – gegen die Crog-Tutha, die wahnsinnigen

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