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Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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einen Baum scheuchen und abschießen – das glaubt er wirklich.
    Ich verdiene 30 000 Dollar im Jahr, und meine Arbeit gefällt mir nicht. Angeblich bin ich ein Lockheed-Angestellter – das wußtest Du, glaube ich –, der dem Nationalen Beratungsausschuß für Aeronautik leihweise überlassen ist. Angeblich bin ich hier Pilot in der 2. Wetterbeobachtungsstaffel, und angeblich bin ich einer von denen, die Turbulenzen und meteorologische Bedingungen im Nahen Osten studieren. In Wirklichkeit bin ich – und Doozie hat das im letzten August beinahe erraten – ein Spion. Ich bin nicht gern ein Spion, trotz der 30000 Dollar. Ein Spion zu sein, macht mich nervös und schlechtgelaunt – es macht mir nicht einmal mehr Spaß, die zierliche aerodynamische Schönheit zu fliegen, die mir während meiner Ausbildung auf dem Watertown-Flugplatz in Nevada als ein so wundervolles Erzeugnis amerikanischer Flugtechnik vorkam. Manchmal habe ich Angst, ich könnte mich in meinen Helm übergeben und den ganzen Weg zum Stützpunkt Erbrochenes einatmen. (Vierundzwanzig Stunden vor jedem Überflug esse ich absichtlich nichts mehr – diese Übelkeit wird mich umbringen, bevor es die Zyanid-Kapseln tun, die wir für „Notfälle“ mitnehmen dürfen.)
    Noch sechs andere Piloten arbeiten hier, Malcolm, obwohl ich zur Zeit allein in meinem Wohnwagen lebe. Als ich ankam, hatte der Mann, mit dem ich das Quartier teilen sollte – ich werde ihn G nennen, denn ich will eigentlich keinen von diesen Burschen irgendwie belasten –, die achtzehn Monate seines Vertrages beinahe abgedient, und er wußte nicht, ob er sich noch einmal für zwölf Monate verpflichtet wollte oder nicht. Gs Frau war es irgendwie gelungen, einen zivilen Job auf Wheelus Air Force Base in Tripoli zu bekommen – hier bei uns gibt es keine Stellen für amerikanische Zivilisten –, und als G im September Urlaub hatte, fuhren sie beide in die Staaten, um die Situation zu besprechen. Als die CIA sich schließlich bereitfand, zivile Familienangehörige nach Incirlik kommen zu lassen, sofern alle Kurzzeitverträge verlängert würden, verlängerte G. Kurz vor Weihnachten – das war übrigens gestern – kamen G und seine Frau zurück, aber sie haben jetzt ein Haus in Adana – wie die meisten der anderen verheirateten Piloten –, und so kommt es, daß ich die meiste Zeit allein in diesem Wohnwagen lebe.
    Mein Wohnwagen steht nicht weit vom Flugplatz entfernt. Um den Bereich der Einheit 10-10 zieht sich ein Zaun, an dem überall steht ZUTRITT FÜR UNBEFUGTES PERSONAL VERBOTEN, und an allen Einfahrten stehen Wachtposten mit Stahlhelmen. Manchmal fühle ich mich wie im Gefängnis hier, aber die meisten anderen Piloten scheinen sich wohlzufühlen und ihren Job gernzuhaben. Es gibt Gerüchte, nach denen wir demnächst einen Offiziersclub bekommen. Vielleicht wird das ein wenig Abwechslung bringen.
     
    Weihnachten ist vorbei. Seit einigen Tagen läuft in Kairo eine Solidaritätskonferenz der asiatischen und afrikanischen Völker, und am Samstag hat ein Büttel des Dicken Mannes der Konferenz mitgeteilt, daß sein Land alle dort ins Leben gerufenen „Freiheitsbewegungen“ unterstützen werde. Ich wollte, ich wäre in Kairo – aber ich bin weder Asiate noch Afrikaner, und ich glaube, daß ich wohl nicht dort hingehöre.
    Hier gehöre ich auch nicht hin.
    Oben auf den Seiten, die ich am Tage nach Weihnachten geschrieben habe, sage ich, daß ich „die meiste Zeit allein“ in diesem Wohnwagen lebe. Aber manchmal bin ich nicht allein. Als G Incirlik verließ, um seine Angelegenheiten mit seiner Frau in den Staaten zu regeln, begann ein Pilot, ein Draufgänger, der zwei Wagen weiter wohnt, gelegentlich vorbeizukommen, immer, wenn er und sein Mitbewohner – den ich Q nennen will – einen Streit hatten. Q ist ein schlampiger Bursche von 36 Jahren, mit vielen menschlichen Schwächen, während der Draufgänger-Pilot ein pokergesichtiges, 27 Jahre altes Modell amerikanischer Männlichkeit ist. Ich werde hier seinen richtigen Namen benutzen, denn er ist tot, und so besteht keine Möglichkeit, daß ich sein Leben dem Feind preisgeben könnte.
    Der wirkliche Name dieses Piloten war Lt. John Scott Brown. Technisch gesehen war er überhaupt kein Lieutenant mehr – so wie ich kein Captain mehr bin –, aber anscheinend sehen wir uns immer noch als militärisches Personal, und John Scott Brown war Lieutenant, bevor er CIA-Agent wurde. Er war Pilot, bevor er Lieutenant wurde. Er war ein

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