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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans J. Alpers
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Mar­chi­an­na aß stets al fres­co, in­dem sie sich leicht an den stahl­grau­en Man­tel des Pro­spek­tor­schiffs klam­mer­te und Son­nen­strah­len ein­sog –, son­dern für ihn, Na­ka­mu­ra-san, ih­ren Herrn, ih­ren Ei­gen­tü­mer … ih­ren Gott.
    Als die Schrank­tü­ren auf ih­re Funk­be­feh­le hin auf­schwan­gen, bra­chen sich die Bil­der. Ge­trock­ne­ter Fisch und See­tang und Boh­nen­quark und Reis. Sie rief einen Tisch aus dem Fuß­bo­den ab und stell­te al­les dar­auf. Ih­re Uhr zeig­te 7:51:38; in ge­nau acht Mi­nu­ten und zwei­und­zwan­zig Se­kun­den wür­de Na­ka­mu­ra-san er­war­ten, daß er sich vor sein damp­fen­des Mahl set­zen konn­te. Und er war pünkt­lich. Sehr pünkt­lich. Es gab Au­gen­bli­cke, da frag­te sie sich, wer von ih­nen ei­gent­lich die Ma­schi­ne und wer der Mensch war. Tee, ach ja, grü­ner Tee. Blät­ter, die in ei­ne zer­brech­li­che blaue Kan­ne ge­schüt­tet wur­den, die stän­dig von ih­ren nar­bi­gen Ti­tan­grei­fern ge­fähr­det zu sein schi­en.
    Ei­ne wei­te­re Ver­klei­dung sprang auf, und ei­ne Mil­li­on Mar­chi­an­nas ver­schwan­den. In der Ni­sche war­te­te das Be­cken, kahl und funk­tio­nal. Sie nahm es nicht gern wahr. Wie sie selbst, war es ei­ne Ein­rich­tung, die dem Men­schen An­nehm­lich­kei­ten ge­ben soll­te, doch es war so schlicht, daß es ih­re gan­ze Ras­se in mensch­li­chen Au­gen als min­der­wer­tig er­schei­nen ließ. Sie stell­te die Kan­ne in sei­ne krebs­ar­ti­gen Sche­ren. „Füll sie mit ko­chen­dem Was­ser.“
    „Ja­wohl, Mar­chi­an­na“, zisch­te es.
    Sie eil­te in die Früh­stücks­ni­sche hin­ter der Kü­che und wisch­te den Staub von der Tisch­flä­che, der über Nacht von der Fels­de­cke hin­ab­ge­rie­selt war. Im Wand­ho­lo krümm­te sich ei­ne Kie­fer, mäch­ti­ger Stamm, spär­li­che Na­deln. Dar­un­ter sam­mel­te sich ein klei­ner Bach in ei­nem Teich, in dem ein lang­bei­ni­ger Kra­nich nach El­rit­zen pick­te. Die­ser Vet­ter er­füll­te sie mit grö­ße­rem Stolz. Na­ka­mu­ra-san blick­te es oft mi­nu­ten­lang an und seufz­te, wenn er den Blick ab­wen­den muß­te.
    7:58:12. Sie husch­te zu­rück in die Kü­che, staub­te das Lack­ta­blett ab. Es war schwarz, mit ei­nem Ideo­gramm aus Perl­mutt ein­ge­legt; ei­nes Ta­ges hat­te sie ih­ren Ei­gen­tü­mer ge­fragt, was es be­deu­te­te, und er hat­te es nicht ge­wußt. Dann stell­te sie die Tel­ler und Schüs­seln in ei­nem, wie sie hoff­te, ge­fäl­li­gen Ar­ran­ge­ment zu­sam­men. Na­ka­mu­ra-san ach­te­te pe­ni­bel auf sol­che Din­ge. Ein­mal, ganz am An­fang, hat­te er ein gan­zes Es­sen fort­ge­wor­fen, samt Schüs­seln und al­lem, nur weil er kei­ne Nah­rung zu sich neh­men woll­te, die auf solch un­an­sehn­li­che Wei­se dar­ge­bo­ten wur­de. Als letz­te Ges­te stell­te sie ei­ne Chrysan­the­me und einen Spitz­farn in ei­ne email­lier­te Knos­pen­va­se, dann trat sie einen Schritt zu­rück und be­gut­ach­te­te die Wir­kung.
    Im Eß­zim­mer flüs­ter­ten die Schar­nie­re, daß ihr Herr ein­ge­tre­ten sei. Sie nahm die Zeit ab – 7:59:55 –, hob das Ta­blett auf und eil­te hin­ein, um ihn zu be­grü­ßen. „Ohayo go­zai­ma­su.“ Sie konn­te sich nicht ver­nei­gen, da­für war sie nicht ge­baut, al­so ver­än­der­te sie den Druck ih­rer aut­ar­ken Ge­häu­seauf­hän­gung, wo­durch die hin­te­re Kan­te ei­ni­ge Zen­ti­me­ter an­ge­ho­ben wur­de und das Vor­der­ge­sicht sich leicht senk­te. „Wenn Ihr be­reit seid, schen­ke ich den Tee ein, Na­ka­mu­ra-san.“
    „Hai“, grunz­te er. Mit schwir­ren­den Rä­dern roll­te er an den Tisch. Sei­ne op­ti­schen Sen­so­ren, trä­nen­för­mig und zu Paa­ren auf je­der Fa­cet­te sei­nes drei­e­cki­gen Turm­auf­baus auf­ge­reiht, blick­ten auf die Knos­pen­va­se. Fast be­vor sie noch be­grif­fen hat­te, was er tat, streif­te er zwei ver­welk­te Blät­ter von der Chrysan­the­me ab, zupf­te vier We­del von dem Farn und stell­te bei­de so zu­sam­men, daß sie ein har­mo­ni­sches Un­gleich­ge­wicht bil­de­ten. „So“, sag­te er.
    Aus ih­ren Mi­kro­pro­zes­so­ren floß De­mü­ti­gung. Sie hat­te doch ge­wußt, daß sie sich nicht an

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