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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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so schlicht, daß es ihre ganze Rasse in menschlichen Augen als minderwertig erscheinen ließ. Sie stellte die Kanne in seine krebsartigen Scheren. „Füll sie mit kochendem Wasser.“
    „Jawohl, Marchianna“, zischte es.
    Sie eilte in die Frühstücksnische hinter der Küche und wischte den Staub von der Tischfläche, der über Nacht von der Felsdecke hinabgerieselt war. Im Wandholo krümmte sich eine Kiefer, mächtiger Stamm, spärliche Nadeln. Darunter sammelte sich ein kleiner Bach in einem Teich, in dem ein langbeiniger Kranich nach Elritzen pickte. Dieser Vetter erfüllte sie mit größerem Stolz. Nakamura-san blickte es oft minutenlang an und seufzte, wenn er den Blick abwenden mußte.
    7:58:12. Sie huschte zurück in die Küche, staubte das Lacktablett ab. Es war schwarz, mit einem Ideogramm aus Perlmutt eingelegt; eines Tages hatte sie ihren Eigentümer gefragt, was es bedeutete, und er hatte es nicht gewußt. Dann stellte sie die Teller und Schüsseln in einem, wie sie hoffte, gefälligen Arrangement zusammen. Nakamura-san achtete penibel auf solche Dinge. Einmal, ganz am Anfang, hatte er ein ganzes Essen fortgeworfen, samt Schüsseln und allem, nur weil er keine Nahrung zu sich nehmen wollte, die auf solch unansehnliche Weise dargeboten wurde. Als letzte Geste stellte sie eine Chrysantheme und einen Spitzfarn in eine emaillierte Knospenvase, dann trat sie einen Schritt zurück und begutachtete die Wirkung.
    Im Eßzimmer flüsterten die Scharniere, daß ihr Herr eingetreten sei. Sie nahm die Zeit ab – 7:59:55 –, hob das Tablett auf und eilte hinein, um ihn zu begrüßen. „Ohayo gozaimasu.“ Sie konnte sich nicht verneigen, dafür war sie nicht gebaut, also veränderte sie den Druck ihrer autarken Gehäuseaufhängung, wodurch die hintere Kante einige Zentimeter angehoben wurde und das Vordergesicht sich leicht senkte. „Wenn Ihr bereit seid, schenke ich den Tee ein, Nakamura-san.“
    „Hai“, grunzte er. Mit schwirrenden Rädern rollte er an den Tisch. Seine optischen Sensoren, tränenförmig und zu Paaren auf jeder Facette seines dreieckigen Turmaufbaus aufgereiht, blickten auf die Knospenvase. Fast bevor sie noch begriffen hatte, was er tat, streifte er zwei verwelkte Blätter von der Chrysantheme ab, zupfte vier Wedel von dem Farn und stellte beide so zusammen, daß sie ein harmonisches Ungleichgewicht bildeten. „So“, sagte er.
    Aus ihren Mikroprozessoren floß Demütigung. Sie hatte doch gewußt, daß sie sich nicht an menschlichen Kunstformen hätte versuchen sollen, aber ihre Sehnsucht danach, von ihm mit Wohlwollen betrachtet zu werden, hatte ihre einprogrammierte Vernunft überwältigt. „Ich bitte um Verzeihung, Nakamura-san. In Zukunft werde ich mir so etwas nicht mehr anmaßen.“
    Seine Nebellampen flackerten vor Erstaunen. „Hast du geglaubt, daß ich dich zurechtweise?“ fragte er und bedeutete ihr, den Tee einzuschenken.
    Mit Ja zu antworten hätte bedeutet, die Eigentümer-Respekt-Schaltungen zu verletzen. „Ich dachte, Herr, daß Ihr mich an mein Maschinensein erinnern wolltet.“
    „Nein, ganz und gar nicht.“ Er nippte durch einen kupfernen Saugheber an dem dampfenden Tee; seine Mikrowellenplatte bewegte sich erst nach rechts, dann nach links und deutete seine Zustimmung an. „Wie mein ehrwürdiger Großvater oft sagte, kann jeder ein Künstler werden, solange er einen Blick besitzt, Geist, eine ruhige Hand und ein Leben, um es dafür hinzugeben. Für einen Anfänger warst du schon gut.“ Mit seinen Manipulatoren beförderte er stäbchenweise Reisbälle in seine Nahrungsaufnahmeklappe. Einen Augenblick später blickte er auf. „Du kannst gehen.“
    Als sie sich fortbewegte, fühlte sie sich leichter als Luft. Lob von Nakamura-san! Unverhofft und – ach, so beglückend*. Besonders, wenn man bedachte, wie mißmutig er während ihrer letzten Rückkehr gewesen war! Sie hatte gedacht, daß er zusammenbrechen, den Verstand verlieren würde, aber das war nicht geschehen. Sie hatte sich geirrt, und ihre Glückseligkeit pulsierte so laut, daß die Leuchtleisten über ihr zu summen begannen.
    Doch als sie in der Küche war, wies sie sich selbst zurecht. Sie war eine Maschine, ein Gerät, ein Ding – Metall und Plastik, das vom Menschen zu seinem Wohlgefallen zusammengefügt worden war. Sie hatte kein Recht zu lieben. Ihre Rolle bestand darin zu dienen, in zuverlässigem Gehorsam, mit mechanischer Exaktheit – nicht mit Zuneigung. Nakamura-san konnte sie jeden Augenblick

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