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Kopernikus 6

Kopernikus 6

Titel: Kopernikus 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Offensichtliche auszusprechen.“
    „Es tut mir leid, Herr.“ Sie rollte vor, um ihrer Sorge Ausdruck zu verleihen. „Stimmt etwas mit dem Überlebenssystem nicht?“
    „Nein“, fuhr er sie an.
    „Aber Ihr habt Euren Anzug nicht abgelegt.“
    „Da, schon wieder posaunst du dummes Geschwätz heraus!“ Mit einer peitschenden Bewegung deutete er mit einem seiner Manipulatoren auf das Kontrollpult. „Warum hast du den Kurs-Computer neu programmiert?“
    „Nakamura-san!“ Entsetzt wich sie zurück. „Das steht mir nicht zu. Niemals würde ich es wagen, eine Veränderung …“
    „Das sind nicht die Vektoren und Koordinaten, an die ich mich erinnere!“
    Der Psycho-Chip schnatterte: G EDÄCHTNISSCHWÄCHE I ST E IN E RSTES S YMPTOM E INER L ABILEN P ERSÖNLICHKEIT , und während der Rest der Diagnose ihre Datenbänke fütterte, murmelte sie schüchtern: „Es tut mir wirklich sehr leid, Herr. Vielleicht hat das Programm selbst einen Fehler. Wenn Ihr es wünscht, kann ich es für Euch überprüfen.“
    „Verschwinde von der Brücke! Geh mir aus den Augen!“ Mit surrenden Schrittflächen kehrte er ihr den Rücken zu. Seine Rücklichter blinkten vor Aufgeregtheit.
    Was sollte sie tun? Mit einem sanften „Hai!“ schaltete sie auf Rückwärtsbewegung und zog sich zurück. Sie wünschte sich, daß sie ihm helfen könnte, aber sie konnte es nicht. Sie hatte das Problem nicht verschuldet, der Raum hatte das getan. Der leere, schweigende, gnadenlose Raum. Er zerschmetterte Menschen, saugte sie auf und zermalmte sie. Er lockte sie mit seinem Reichtum, zog sie aus dem Sonnensystem heraus, denn seine Mineralien waren Moschus, und sie alle waren verrückt nach Sex. Dann, wenn er sie isoliert und angreifbar gemacht hatte, erdrückte er sie mit dem Gewicht der Einsamkeit. Da sie wußte, wie sehr dies sogar eine Maschine bedrückte, konnte sie die Auswirkungen auf ihn abschätzen.
    Sie sollten Menschen einfach nicht hierher kommen lassen, dachte sie. Nicht allein. Kolonien, ja, aber keine Einzelpersonen. Man muß die Wirtschaftlichkeit der Intrasystemreisen ignorieren, letztlich ist der Preis zu hoch. Wir könnten die Arbeit auch ohne Anleitung erledigen. Es ist schön, jemandem zu gehören und Anweisungen zu erhalten, aber es tut weh, mit anzusehen, wie mein Herr innerlich stirbt …
    Vor ihnen wölbte sich ein kleiner Asteroid: ihr heutiger Steinbruch. Die niedrige Albedo seiner grubenübersäten Oberfläche reflektierte nur wenig Licht. Marchianna spürte ihn eher, als daß sie ihn sah. Er war grob würfelförmig und würde in den Aufnahmeschacht passen, ohne daß er erst gespalten werden mußte. Das erleichterte sie. Beim Sprengen von Felsen konnte so vieles schiefgehen, und die Splitter schienen es immer auf die Karakai Maru abgesehen zu haben. Einmal hatte ein Bruchstück, das kaum so groß war wie eine Kinderfaust, die Hülle bis in die Brücke durchschlagen. Nakamura-sans schnelle Reflexe hatten ihn gerettet, aber danach war er nie mehr derselbe gewesen.
    Geschickt, unsichtbar verglich Nakamura-san die Geschwindigkeiten, dann kroch er zentimeterweise vorwärts, bis der Riesenschlund des Fahrzeugs den Asteroiden völlig verschlungen hatte. Trägerstützen erbebten, als Titangebisse den Felsen packten und zu zermalmen begannen. Das Schiff kippte in eine unmerkliche Kursänderung.
    „Gut“, befahl Nakamura-san, „stell die Schmelzer an.“
    Eilig aktivierte sie die Extensoren. Teleskopische Ausleger drückten den festen Teil des Schiffs tausend Meter vom Rest ab. Als sie eingerastet waren, bewegte sich die Seite selbst, entfaltete und öffnete sich. Innerhalb einer Stunde hatte sie sich wie ein Schirm zu einem Dach von zweieinhalb Quadratkilometern ausgebreitet, ein Parabolspiegel, der auf die einzige nichtisolierte Wand des Schmelzers gerichtet war. Schon jetzt begann die Wand in stumpfem Rot zu glühen.
    „Du bist langsam heute“, nörgelte er.
    „Es tut mir leid, Nakamura-san“, antwortete sie, während sie noch die Kunststofftafeln nach Tränen oder Röhrenverschmutzungen überprüfte. „Aber die Zentrifuge wird jetzt gefüllt, und der Vorgang wird beendet sein, bevor wir wieder zu Hause sind.“
    Solch ein leichtes Gewicht, aber er hatte schon zuviel zu tragen. Er brach auseinander. Völlig. „Zuhause?“ schrie er. „Zuhause? Dieser erbärmliche, staubige Kaninchenstall ein Zuhause? Du Narr! Zuhause, das ist ein Himmel, der so hoch ist, so blau, daß er dich in sich hineinzieht, und ein Wind, der auf

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