Kopernikus 7
ebenholzschwarze Stirn und fauchte: „Geh endlich in den Garten, du Faultier.“
Er trollte sich.
Draußen vor der Hütte wurde ihm wohler, die Welt war wirklich und vertraut, unter seinen Füßen heizte der lehmige, sonnengetrocknete Boden. Er stand unschlüssig, ob er zunächst noch etwas essen oder gleich in die Gärten gehen sollte, blickte die leere Dorfstraße entlang. Die Siedlung war nicht groß, die Häuser waren schmucklos und rund wie überall üblich, nur das Gemeindehaus ruhte breit auf kräftigen Baumstämmen. Vor ein paar Jahren hatten sie die Dorfmauer zur Savanne hin gebaut, um wilde Tiere abzuwehren, sonst war alles wie immer, seit seiner Kindheit hatte sich hier nichts verändert. Den Bauern fehlte das Geld, nicht einmal ein Radio konnte man sich leisten. Aber wozu auch, seufzte Fenter, all die großartigen Meldungen vom Fortschritt im Land, die darin zu hören waren, trafen für sie nicht zu, nicht für die Bauern der Steppengebiete. Ob ein weißer Gouverneur oder ein schwarzer Präsident in der Hauptstadt – hier im Dorf war das bestenfalls von theoretischer Bedeutung.
Neben Fenters Haus stand Mbises Hütte, seit zwei Jahren verlassen, er war mit seiner Familie in die Stadt gezogen, aber man wußte, daß er dort noch schlechter lebte als hier, mal hatte er Arbeit, mal nicht, die Lebensmittel waren teuer, seine Tochter …
Kwa-n-Sana hatte berichtet, sie sei Prostituierte geworden. Fenter erinnerte sich gut an das hübsche, runde Mädchen, Nadina hieß sie und war in der Mission getauft worden.
„Gut, daß du noch im Dorf bist“, sagte eine tiefe Stimme neben ihm; es war der Orkoyote.
„Hab’ verschlafen“, murmelte Fenter eilig.
Der Mann im staubroten Kitoi beugte sich nahe an sein Ohr, flüsterte: „Ich will dich sprechen, heute abend, allein.“ und tanzte davon, Fenter schien es, als spreizte er sein Gefieder.
Einen Augenblick lang starrte er ihm nach, die Worte des Zauberers hatten irgend etwas mit dem nächtlichen Traum zu tun, aber Fenter brachte es nicht fertig, seine Erinnerungen zu ordnen, sein Kopf dröhnte noch immer, und so vergaß er den Orkoyoten wieder und beschäftigte sich weiter mit der schönen Nadina.
Er arbeitete den ganzen Tag, langsam und lustlos, spürte keinen Appetit und wurde auch nicht gesprächig, als die Frauen in die Gärten kamen, den ganzen Tag über schien sein Hirn breiig und eingezwängt.
Als die Sonne die Wipfel des Wäldchens erreichte, ging er ins Dorf zurück, von der Weide kam sein Sohn zusammen mit den anderen Hütejungen, er hatte einen Solustab geschnitzt und zeigte ihn stolz, und Fenter lächelte. Der Junge war geschickt und klug, brachte aus der Missionsschule viel Lob mit, Fenter bildete sich ein, aus ihm könnte etwas Besonderes werden.
Und auch meine Tochter, murmelte er, sie redete mit ihren acht Jahren die Sprache der Fremden schon fast so gut wie ihr heimisches Suaheli. Da wird einem armen Bauern wie mir nichts anderes übrigbleiben, als eines Tages beide Kinder zur Hochschule nach Nairobi zu schicken, dachte er und seufzte glücklich. Sie werden studieren und fortgehen, und dann werden sie auf ihr kleines Dorf und ihre dummen Eltern herabsehen; da schau her, Mbise, ich bin auch nur ein kleiner Bauer gewesen, wie du.
Im Abendlicht färbte sich das Dorf rosa, der heiße Tag versank im Schatten der Häuser, Behaglichkeit breitete sich aus. Fenter streckte sich vor dem Eingang seiner Hütte aus und schloß die Augen, wie er es immer tat, aber heute entspannte es ihn nicht.
Der Orkoyote wartete auf ihn.
Die Hütte des Zauberers war kleiner als die anderen Häuser, eng und atemlos, Licht flackerte in einer blauen Lampe.
Kwa-n-Sana bat ihn, sich zu setzen, hockte sich selbst in den unruhigen Schein der Flamme und sagte sehr seltsame und unverständliche Dinge.
Fenter verstand nur soviel, er sei der Arm eines Speeres, und irgendwo habe der Orkoyote ihn als Auserwählten gesehen. Auch daß es ein besonderer Speer sei, vermutlich ein heiliges Symbol, begriff Fenter noch, doch erinnerte er sich nicht, jemals vorher von diesen Dingen gehört zu haben.
„Was werden wir mit dem Speer tun?“ fragte er vorsichtig. Kwa-n-Sana antwortete: „Ein Zeichen setzen.“
Fenter, nun völlig verwirrt, schwieg, hoffte, der Zauberer würde ihm die Zusammenhänge erläutern. Doch der saß starr da, wie entrückt, die Flamme in der blauen Lampe verdämmerte.
Plötzlich sprach Kwa-n-Sana, damals, vor fünf Generationen, hätten weiße
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