Kopernikus 7
Peter. Der Toyota mühte sich ab, denn an derart steile Steigungen war er nicht gewöhnt, und er war nicht an diese Höhen angepaßt worden, bevor sie von Chicago aufgebrochen waren. Er fuhr vorsichtig. Sie waren jetzt hoch genug, um vereiste Flächen und Schnee, der über die Straße wehte, anzutreffen.
„Ja und nein“, sagte Kathy sarkastisch. „Was heißt das?“
„Das Northwestern hatte damals einen großen Schachclub. Wir beteiligten uns an zahllosen Turnieren – lokalen, staatlichen, nationalen. Manchmal haben wir mehr als ein Team eingesetzt, deshalb war die Aufstellung bei jedem Turnier ein bißchen anders. Es war davon abhängig, wer spielen konnte und wer nicht, wer ein Zwischensemester hatte, wer im letzten Spiel gespielt hatte – eine Menge Dinge. Wir vier waren diese Woche vor zehn Jahren in den nordamerikanischen College-Mannschaftsmeisterschaften die B-Mannschaft des Northwestern. Northwestern war Veranstalter dieses Turniers, und ich leitete es – das war so gut wie spielen.“
„Was meinst du mit B-Mannschaft ?“
Peter räusperte sich und lenkte den Toyota in eine scharfe Kurve, wobei Schottersteine gegen die Unterseite des Wagens prasselten, als ein Rad die Böschung streifte. „Eine Schule war nicht nur auf eine Mannschaft beschränkt“, sagte er. „Wenn man das nötige Geld hatte und eine Menge Leute, die spielen wollten, dann konnte man mehrere aufstellen. Die vier besten Spieler bildeten die A-Mannschaft, den tatsächlichen Bewerber. Die zweiten vier waren die B-Mannschaft und so weiter.“ Er machte eine kurze Pause und fuhr dann mit einem leisen Unterton von Stolz in der Stimme fort. „Die nationalen Meisterschaften im Northwestern waren die größten, die bis zu diesem Zeitpunkt abgehalten worden waren, obwohl dieser Rekord später gebrochen wurde. Aber wir haben einen zweiten Rekord aufgestellt, und der besteht noch immer. Weil das Turnier auf unserem heimischen Gelände stattfand, hatten wir eine Menge Spieler zur Verfügung. Wir brachten sechs Teams ein. Keine andere Schule hat je mehr als vier Teams in den Nationalen gehabt.“ Dieser Rekord brachte noch immer ein Lächeln aufsein Gesicht. Vielleicht war es kein großartiger Rekord, aber es war der einzige, den er errungen hatte, und es war seiner. Viele Leute leben und sterben, ohne irgendeine Art von Rekord aufzustellen, überlegte er still. Vielleicht sollte er Kathy sagen, daß sie ihm seinen Rekord auf den Grabstein setzen sollte: HIER RUHT PETER K. NORTEN. ER LIESS SECHS MANNSCHAFTEN ANTRETEN. Er kicherte.
„Was ist so komisch?“
„Nichts.“
Sie hakte nicht weiter nach. „Du hast also dieses Turnier geleitet, sagst du?“
„Ich war der Club-Präsident und der Vorsitzende des örtlichen Komitees. Das Turnier selbst habe ich nicht geleitet, aber ich habe die Bewerbung zusammengestellt, die die Nationalen nach Evanston brachte, und alle vorbereitenden Vorkehrungen getroffen. Und ich habe unsere sechs Mannschaften zusammengestellt, entschieden, wer in welcher spielte, die Mannschaftskapitäne ernannt. Aber während des Turniers selbst war ich nur der Kapitän der B-Mannschaft.“
Sie lachte. „Du warst also ein großes As beim zweiten Eisen im Feuer. Das paßt. Die Geschichte unseres Lebens.“
Peter verkniff sich eine scharfe Antwort und sagte nichts. Der Toyota schwenkte in eine weitere Haarnadelkehre, und ein weites Colorado-Bergpanorama tat sich vor ihnen auf. Es ließ ihn seltsam unberührt.
Nach einer Weile sagte Kathy: „Wann hast du aufgehört, Schach zu spielen?“
„Ich habe es kurz nach dem College aufgegeben. Eigentlich keine wirklich bewußte Entscheidung. Ich bin einfach irgendwie abgetrieben. Ich habe seit fast neun Jahren an keinem Schachturnier mehr teilgenommen. Wahrscheinlich bin ich mittlerweile ziemlich eingerostet. Aber damals war ich recht gut.“
„Wie gut ist recht gut?“
„Ich war wie jeder andere in unserer B-Mannschaft als A-Klasse-Spieler eingestuft.“
„Was heißt das?“
„Das heißt, daß meine USCF-Einstufung bedeutend höher war als die der großen Mehrheit von Turnier-Schachspielern im Land“, sagte er. „Und die Turnier-Spieler sind im allgemeinen viel besser als die unklassifizierten Holzschieber, denen man in Bars und Kaffeehäusern begegnet. Die Einstufungen reichten bis hinunter zur Klasse E. Über der A-Klasse waren noch die nationalen Meister, die internationalen Meister sowie die Großmeister angesiedelt, aber davon gab es nicht viele.“
„Drei
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