Skandal um Prinzessin Natalia (Julia) (German Edition)
1. KAPITEL
„Nun, wenigstens ein Jackson, der etwas aus sich gemacht hat!“
Prinzessin Natalia Santina warf ihrer Mutter einen überraschten Blick zu. Der eisige Unterton in ihrer Stimme passte so gar nicht zu dem augenscheinlichen Kompliment. Königin Zoes fein gezeichnete Brauen waren streng erhoben, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Also ihr üblicher Gesichtsausdruck.
Neugierig ließ Natalia den Blick über die illustre Gästeschar schweifen, um das Objekt der offensichtlichen Missbilligung in Augenschein zu nehmen. Der Ballsaal des Santina Palasts war hoffnungslos überfüllt. Offenbar wollte sich niemand die Verlobungsparty ihres Bruders Alessandro und seiner Braut Allegra entgehen lassen. Ob es daran lag, dass es sich bei seiner Auserwählten um eine Tochter des ehemaligen Profifußballers und Enfant terrible , Bobby Jackson, handelte?
In dem Mann, der ihre Mutter zu dem bissigen Kommentar herausgefordert hatte, erkannte Natalia Allegras älteren Bruder Ben, einen international bekannten Selfmade-Millionär. Nicht, dass Königin Zoe mit Reichtum zu beindrucken wäre, so gigantisch er auch sein mochte. Geld machen kann jeder, lautete ihre verächtliche Devise, sobald das Gespräch auf dieses Thema kam. Was allein zählte, war Abstammung.
Zumindest die konnte man Natalias Exverlobten, der zu ihrer grenzenlosen Erleichterung von sich aus die Verbindung gelöst hatte, wahrlich nicht absprechen. Als Trennungsgrund hatte Prinz Michel – Zweiter in der Thronfolge des kleinen Fürstentums Montenavarre und praktisch pleite – den ruinös extravaganten Geschmack und Lebensstil seiner Braut angegeben.
Außerdem hatte sich Natalia nie wirklich für ein Leben in einem zugigen Schloss, hoch oben in den Alpen, erwärmen können. Die Frage, wie sie ihre Zukunft stattdessen zu verbringen gedachte, konnte sie bisher allerdings auch nicht beantworten. Momentan genoss sie es einfach, die Fesseln einer unerwünschten Beziehung abgestreift zu haben.
Während sie jetzt Ben Jacksons hochgewachsene Gestalt musterte, verdunkelte sich ihr Blick. Der perfekt geschnittene, graue Businessanzug mit passender, marineblauer Seidenkrawatte konnte seinen muskulösen Körper nicht verbergen. Während er mit einem anderen Gast plauderte, wirkte er ungeheuer souverän, selbstsicher und entspannt.
Ganz anders als sein Vater, der mit einer schreiend bunten Krawatte, dröhnender Stimme und ausholenden Gesten den typischen Neureichen demonstrierte, wie es keine Karikatur treffender hätte tun können.
Sein Sohn hingegen verkörperte das klassische Understatement eines eleganten Geschäftsmanns. Zu Natalias Belustigung hatte Königin Zoe ihm nicht mehr als zwei gepflegte Finger zur Begrüßung gereicht und war sichtlich zusammengezuckt, als er diese herablassende Geste ignoriert und stattdessen einen versierten Handkuss angedeutet hatte.
„Was macht er eigentlich genau?“ Natalia schmunzelte insgeheim, als ihre Mutter sich angesichts derartig vulgärer Neugier versteifte. Natürlich wusste sie, dass man so etwas nicht fragte, da jeder, der Klasse hatte, gar nichts tat. Jedenfalls nicht für Geld. Königin Zoe widerstrebte es sogar, über die erfolgreichen geschäftlichen Unternehmungen ihres ältesten Sohnes und Thronerben zu sprechen.
Manchmal fragte Natalia sich, ob ihre Mutter in Wirklichkeit nicht eine Romanfigur aus einer viktorianischen Novelle war und versehentlich mit einer Zeitmaschine in die Gegenwart katapultiert worden war. Ihre Gesinnung passte jedenfalls nicht ins gegenwärtige Jahrtausend.
„Ein typischer Entrepreneur , soweit ich es beurteilen kann“, ließ ihre Mutter sich dann doch zu einer Erklärung herab. „Irgendwas mit Finanzen.“
Ein Unternehmer und Finanztycoon also … wie langweilig! dachte Natalia und kam trotzdem nicht umhin, den breiten Schultern und dem durchaus attraktiven Antlitz weibliche Anerkennung zu zollen. Als er eine Hand hob und mit langen, gebräunten Fingern etwas unterstrich, was er gerade sagte, entschied Natalia für sich, dass dieser Ben ein lebhafter, kompetenter Gesprächspartner sein musste. Wenn sie den Gesichtsausdruck seines Gegenübers richtig interpretierte, verstand er es, Zuhörer zu fesseln.
Sie hatte schon immer aus der Mimik und Gesten völlig Fremder überraschend treffende Rückschlüsse über deren Charakter ziehen können. Und in zwölf Jahren schwer durchschaubaren Schulunterrichts war diese Gabe quasi überlebensnotwendig gewesen. Oft hatte
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