Kopernikus 7
es gut bezahlt. Er verrichtete seine Arbeit mit dem gleichen methodischen Desinteresse, das er für jeden anderen Job aufgebracht hatte. Es war sein Job, es war das, was er tat.
Jeden Tag stand Mason da mit seinem Hammer und tötete Kühe.
Es regnete: ein rußiger Stadtregen, der einen eher schmutzig als naß werden läßt. Mason steht im Regen an der Bushaltestelle und wartet auf den Bus, wie er es jeden Tag tut, wie er es in den vergangenen sechs Jahren jeden Tag getan hat. Er hat den Kragen hochgeschlagen, um den Wind abzuhalten, die Hände in den Taschen, keinen Hut, und sein Haar klebt feucht auf seiner Stirn. Er steht ein wenig gebeugt da, der Kopf hängt kaum wahrnehmbar herab – er ist müde, die Muskeln in seinen Schultern sind knotig von der Anstrengung, und sein Nacken brennt. Die übermäßige Erschöpfung seines Körpers verblüfft ihn; mit leichtem Unbehagen verlagert er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen – es ist mörderisch, hier zu stehen, nachdem man den ganzen Tag auf den Beinen war, und er spürt es in den Schenkeln und in den Waden. Er hat wieder seinen Regenmantel vergessen. Er ist ein großer Mann, kräftig in Brust und Schultern, mit langen Armen, breiten, muskulösen Handgelenken und schweren, resignierten Gesichtszügen. Erzeigt die ersten Ansätze eines zukünftigen Spitzbauches, und bald wird er Spreizfüße haben. In seiner Personalakte (vertraulich) steht: nicht aggressiv und von unterdurchschnittlichem Durchsetzungsvermögen, mit geringem Energiepotential, anal orientiert (arbeitsam, sorgfältig, tüchtig), höchst anpassungsfähig, nicht entscheidungsfreudig, kann jedoch in unteren Positionen Verantwortung tragen, arbeitet am besten im Team, kein Unruhestifter: ein guter Arbeiter. Er selbst bezeichnet sich häufig als Trottel, allerdings gewöhnlich in scherzhaft gemilderten Zusammenhängen (z.B.: „Himmel, so was dürft ihr doch einen armen Trottel wie mich nicht fragen!“ oder: „Scheiße, ich bin doch bloß ein dämlicher, schuftender Trottel.“) Er ist Mitte Dreißig, auf der absteigenden Seite. Er wurde hier geboren, in einer Einwanderergegend, als einziges Presbyterianerkind in einem Meer von katholischen Ausländern – er mußte zwei Meilen weit zur Sonntagsschule laufen. Er wuchs auf im Industrieviertel der Stadt, quälte sich durch High School und Armee, zog dann von Job zu Job, von Stadt zu Stadt, als Tellerwäscher, Kellner, Bauarbeiter (Musikboxen, Hinterzimmer, Sägemehl, Sonne, Wasser aus Blecheimern), arbeitete hier vier Monate, dort sechs, auch mal ein Jahr, und dann wieder zurück auf die Straße, unterwegs, und nach acht Jahren war er wieder in seiner Heimatstadt und in seinem alten Job (den er vor der Armee gehabt hatte), und der Kreis war geschlossen. Als er diesmal die Rastlosigkeit wieder spürt, nach einem Jahr, läuft er den ganzen Weg bis zum Busbahnhof (und da sitzt er dann, um drei Uhr morgens, es ist lausig kalt, und er ist allein in der riesigen, leeren Halle, und erst dort erkennt er, daß er nichts mehr hat, wohin er gehen könnte, und nichts, was er dort tun könnte. Er fährt nicht weg. Er bleibt: zwei Jahre, drei, vier, und jetzt sechs – länger als er je zuvor irgendwo geblieben ist. Sechs Jahre, die sich heranschleichen und vorüber sind, ehe er es gemerkt hat, ganz unversehens (Betriebsausflüge, Weihnachten, Himmel – schon wieder die Steuer?), die Zeit verschwimmt zu einem öligen, grauen Knäuel und hinterläßt nichts als alte Kalender. Er wird nie wieder unterwegs sein. Er bleibt endgültig hier. Die Zukunft ist Vergangenheit geworden, ohne die Gegenwart je zu streifen. Er begreift nicht, was mit ihm geschehen ist, aber allmählich bekommt er Angst.
Er steigt in den Bus
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