Kopernikus 7
ganze Körper zur Seite – und alles war Sache eines Augenblicks. Die Kuh wurde, rasend vor Angst, in den Gang gedrängt, der zu Mason führte, ihre Flanken glänzten, und der Schaum stand in Flocken vor ihrem Maul, und dann – so schnell, daß man es fast nicht sah – traf es sie wie ein Blitzschlag, und sie war ein zuckender Kadaver auf dem Steinboden, und das Blut quoll dick aus ihrem zerschmetterten Schädel.
Nach der ersten Kuh des Tages war Mason blutbespritzt, und seine Arme waren rot bis über die Ellbogen. Es kümmerte ihn nicht – es gehörte zu seinem Job, und er bemerkte es kaum. Er duschte zweimal am Tag und zog sich vor und nach dem Mittagessen um. Die Firma reinigte seine weißen Arbeitsanzüge und Kittel kostenlos. Er arbeitete rasch und effizient; er brauchte niemals mehr als einen Schlag zum Töten. Wenn Mason die Kuh getötet hatte, wurde sie mit einem Haken hochgezogen, man schnitt ihr die Kehle durch und ließ sie ein paar Minuten lang ausbluten. Dann kam ein anderer Mann mit einem langen, schweren Messer und vierteilte sie. Danach wurde der Kadaver weiter zerteilt, jedes Stück wurde an einen Haken gehängt und über eine unter der Decke dahinrasselnde Förderanlage zu den Verpackungsabteilungen transportiert, die weiter hinten in der Fabrik lagen.
Die Kühe schienen stets zu wissen, was ihnen bevorstand – sie begannen nervös zu brummen und angstvoll die Augen zu rollen, sobald sie aus dem Güterwagen auf die Rampe getrieben wurden. Wenn die erste Kuh geschlachtet war, verwandelte sich ihre Angst in Entsetzen. Der Geruch des Blutes versetzte sie in Raserei. Sie schlugen aus und brüllten und schnaubten und bockten, ruckartig und wie besinnungslos zuckten sie hin und her und versuchten sich loszureißen. Sie verdrehten die Augen, bis man das Weiße sah, sie begannen zu schäumen, und ihre Flanken wurden glänzend vom Schweiß. An dieser Stelle beschleunigte Mason sein Arbeitstempo und versuchte, sie alle zu töten, ehe sie ihr Fett abschwemmen und an Gewicht verlieren konnten. Nach einer Weile begannen sie zu schreien, und dann mußte man sie mit roher Gewalt auf Masons Hammer zutreiben. Schließlich, wenn sie völlig erschöpft waren, verstummten die letzten Kühe; sie zitterten und stöhnten leise, bis Mason sie sich vornehmen konnte, und dann starben sie leicht und ohne noch lange zu zucken. Um sich zu unterhalten, redeten Mason und die anderen Arbeiter oft sarkastisch mit den Kühen, sie machten Witze über sie, riefen sie bei irgendwelchen Kosenamen und sagten ihnen – nach Art des Arztes, der in einer Unterhaltungssendung im Fernsehen auftrat –, daß alles gut sei und daß es nur einen winzigen Augenblick lang weh tun werde. Sie sagten ihnen, was sie doch für dumme, dämliche Biester seien – „So ist’s recht, mein Schatz. Komm her, du dickes, dämliches Biest. Papa hat eine Überraschung für dich.“ –, oder sie brüllten sie an, daß sie doch verdammt genau gewußt hätten, worauf sie sich einließen, als sie sich freiwillig meldeten. Manchmal schlossen sie Wetten darüber ab, wie hart Mason eine Kuh mit seinem großen Hammer schlagen könnte und wie hoch das Gehirn nach dem Schlag spritzen würde. Einmal hatte Mason einen Dollar von Kaplan gewonnen, weil er eine Kuh so heftig traf, daß sie schon von dem Schlag in die Knie ging. Sie waren nicht gefühlloser als andere Leute, aber ihr Job war im Grunde langweilig und unangenehm, und wie alle Leute mit langweiligen und unangenehmen Jobs versuchten sie so, sich ein wenig Abwechslung und Distanz zu verschaffen. Für Mason war es nur ein Job, nicht besser und nicht schlechter als jeder andere. Es war langweilig, aber er hatte noch nie einen Job gehabt, der nicht langweilig war. Zumindest wurde
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