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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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oder auf die Rücken­leh­ne vor ih­nen. Ei­ni­ge le­sen Zei­tung. Ei­ner oder zwei re­den. Man­che schla­fen. Ein jun­ger Mann lacht – und bricht bei­na­he so­fort ab. Wenn die Fens­ter­schei­ben klar wä­ren, sä­he man an­stel­le der Re­gen­kol­la­ge trost­lo­se Rei­hen von her­un­ter­ge­kom­me­nen Ge­bäu­den, Tank­stel­len, die mit win­zi­gen Plas­tik­fähn­chen be­hängt sind, flut­licht­be­strahl­te Ge­braucht­wa­gen­plät­ze, Im­biß­bu­den, lee­re Schul­hö­fe mit to­ten Bäu­men, die aus dem Pflas­ter auf­ra­gen, drah­tum­zäun­te Spiel­plät­ze, die die Kin­der nie­mals be­nut­zen. Und nie­mand macht sich je die Mü­he, dies al­les an­zu­schau­en. Sie wis­sen al­le, wie es aus­sieht.
     
    Nor­ma­ler­wei­se be­vor­zugt Ma­son den Sitz am Gang, aber heu­te mor­gen sitzt er, ir­gend­ei­nem ob­sku­ren In­stinkt fol­gend, am Fens­ter. Er ver­sucht zu er­grün­den, was ihn da­zu drängt, die ver­schwom­me­ne Land­schaft zu be­trach­ten, ver­sucht in Wor­te zu fas­sen, wor­an sie ihn er­in­nert und wie er sich fühlt. Er kann es nicht. Trau­rig – al­len­falls das kann er sa­gen. Wes­halb soll­te es ihn trau­rig ma­chen? Trau­rig. Aber da ist noch et­was an­de­res, et­was, das er zu fas­sen ver­sucht, das ihm aber stän­dig ent­glei­tet. Und sein Tas­ten ruft das Echo ei­ner wie­der­er­wa­chen­den Furcht her­vor. Es war ein Ge­fühl wie … es war so ähn­lich wie … Vol­ler Un­be­ha­gen drückt er die Hand­flä­che ge­gen die Schei­be und ver­sucht, ein we­nig von dem Dunst weg­zu­wi­schen, der das Glas trübt. (Auch da­bei fühlt er sich son­der­bar. Er­tappt um­her, greift ins Lee­re – es ist weg.) Dort, wo er reibt, ent­steht ein halb­wegs kla­rer Fleck auf der Fens­ter­schei­be, ein knapp um­grenz­tes schar­fes Bild in­mit­ten der schmie­ri­gen Ver­schwom­men­heit der Kol­la­ge. Ma­son starrt hin­aus auf die Welt, er späht durch das glä­ser­ne Loch. Wie­der ver­sucht er, et­was zu er­fas­sen, und wie­der miß­lingt es ihm. Ir­gend­wie er­scheint ihm al­les ver­kehrt. Va­ge und dun­kel steigt Är­ger in ihm auf. Ge­bäu­de krie­chen drau­ßen vor­über. Er schau­dert, be­rührt vom sep­ti­schen Hauch der Entro­pie. Viel­leicht ist es … wenn es – er kann es nicht. Wie­so ist es ver­kehrt? Was stimmt denn nicht? Es sieht doch al­les aus wie im­mer, oder nicht? Nichts hat sich ver­än­dert. Zu was könn­test du es denn ver­än­dern? Wie zum Teu­fel soll es denn sein? Kei­ne Wor­te.
    Wie­der sam­meln sich Trop­fen auf der Schei­be und schwem­men die Welt da­von.
     
    Auch bei der Ar­beit hör­te der Traum den gan­zen Tag nicht auf, Ma­son zu be­un­ru­hi­gen. Er merk­te, daß er ihn nie­mals für lan­ge bei­sei­te schie­ben konn­te – ir­gend­wie kehr­ten sei­ne Ge­dan­ken im­mer zu ihm zu­rück, un­auf­hör­lich, wie die Flie­gen, die sum­mend über den Blut­la­chen auf dem Stein­bo­den kreis­ten.
    All­mäh­lich emp­fand Ma­son Är­ger und ein leich­tes Un­be­ha­gen. Es war nicht ge­sund, sich der­art in einen Scheiß-Traum zu ver­sen­ken. Es war krank­haft, und man muß­te krank im Kopf sein, um so da­mit her­um­zu­spie­len. Es war krank­haft – und bei dem Ge­dan­ken an die schlei­mi­ge Krank­haf­tig­keit, die in sol­chen Din­gen steck­te, emp­fand er Wut und auch ei­ne leich­te Übel­keit. Er hat­te die­sen Schleim nicht in sei­nem Kopf. Nein, der Traum hat­te ihn heim­ge­sucht, weil Em­ma nicht mehr da war. Es war schon hart für einen Mann, wie­der al­lein zu sein, nach­dem er so lan­ge mit ei­ner Frau zu­sam­men­ge­lebt hat­te. Er soll­te los­zie­hen und tat­säch­lich ir­gend­ein Weib auf­rei­ßen, statt bloß im­mer dar­über nach­zu­den­ken. Er hät­te es ges­tern abend tun sol­len, dann brauch­te er sich jetzt kei­ne Ge­dan­ken dar­über zu ma­chen, was er Kaplan er­zäh­len soll­te. Er soll­te sich die Spinn­we­ben aus dem Hirn fe­gen. Abend für Abend in der ver­damm­ten Woh­nung her­um­zu­sit­zen und nie et­was zu tun – kein Wun­der, daß er sich ko­misch fühl­te und ver­rück­te Träu­me hat­te.
    Beim Mit­tages­sen – er saß an dem kunst­stof­f­über­zo­ge­nen Be­ton­tisch, ne­ben sich die mit Fin­ger­ab­drücken

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