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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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selbst, und er quäl­te sich ge­spiel­te Ent­rüs­tung ab, um die plötz­li­che, un­er­klär­li­che Pa­nik, die Angst, das Grau­en zu über­de­cken. De­nen bist du kei­ne Re­chen­schaft schul­dig. Rring (Schrei), rring (Schrei), rring (Schrei). Die Haut über sei­nem Ma­gen krib­bel­te, und die fei­nen Här­chen in sei­nem Nacken und auf sei­nen Ar­men sträub­ten sich. Auf­hö­ren, ver­dammt, auf­hö­ren, auf­hö­ren. „Sei still!“ schrie er mit rau­her Stim­me, im­mer noch halb ste­hend.
    Das Te­le­phon ver­stumm­te.
    Die Stil­le war un­glaub­lich bös­ar­tig.
    Ma­son zün­de­te sich ei­ne neue Zi­ga­ret­te an, ließ das Streich­holz fal­len, riß ein zwei­tes an und schaff­te es schließ­lich. Er kon­zen­trier­te sich auf das Rau­chen, auf den Ge­schmack des Qualms und das Ge­fühl da­von in sei­ner Lun­ge, und er paff­te in in­ten­si­vem Stak­ka­to (ich­glau­beich­kan­nich­glau­beich­kan­nich­glau­beich­kann-ich­glau­beich­kann). Ir­gend et­was war ganz und gar nicht in Ord­nung, aber er un­ter­drück­te die­sen Ge­dan­ken, dräng­te ihn ganz nach un­ten. Ei­ne fühl­ba­re Schwär­ze: Geh ihr aus dem Weg. Er war nur mü­de, sonst nichts. Er hat­te einen wirk­lich mie­sen, wirk­lich har­ten Tag ge­habt, und jetzt war er mü­de, und das mach­te ihn ner­vös. Die Ar­beit schi­en von Wo­che zu Wo­che im­mer schwe­rer zu wer­den. Viel­leicht wur­de er alt und ver­lor sein Steh­ver­mö­gen. Er ver­mu­te­te, daß dies frü­her oder spä­ter zwangs­läu­fig ge­sche­hen wür­de. Aber Schei­ße – er war erst achtund­drei­ßig. Er hät­te es nie ge­glaubt, nicht ein­mal dar­an ge­dacht, bis heu­te.
    „Du wirst alt“, sag­te Ma­son laut. Die Wor­te hall­ten in dem kah­len Raum wi­der.
    Er lach­te un­si­cher, ner­vös, in ge­spiel­ter Ver­ach­tung. Es schi­en, als ob die Wän­de das La­chen auf­saug­ten. Die Stil­le ver­schluck­te das Ge­räusch sei­nes Atems.
    Ei­ne Zeit­lang lausch­te er der Stil­le. Dann nann­te er sich selbst ein blö­des Arsch­loch, weil er über sol­chen al­ber­nen Quatsch nach­dach­te, und be­schloß, es sei das bes­te, zu Bett zu ge­hen. Er stemm­te sich hoch. Nor­ma­ler­wei­se pfleg­te er ein paar Stun­den fern­zu­se­hen, ehe er schla­fen­ging, aber heu­te abend war er wirk­lich im Arsch – er­schöpft und ver­ängs­tigt. Ver­ängs­tigt? Wo­vor soll­te er denn Angst ha­ben? Das war doch al­ber­ner Quatsch. Ma­son stell­te das schmut­zi­ge Ge­schirr ins Spül­be­cken und ging ins Schlaf­zim­mer. Me­tho­disch lösch­te er hin­ter sich die Lich­ter. Die Dun­kel­heit folg­te ihm an die Schlaf­zim­mer­tür.
    Ma­son zog sich aus, leg­te sei­ne Klei­der bei­sei­te und setz­te sich auf die Bett­kan­te. An die­ser Sei­te des Ge­bäu­des be­fand sich ei­ne schä­bi­ge Ab­stei­ge, und ih­re ro­te Ne­on­re­kla­me blink­te di­rekt in Ma­sons Schlaf­zim­mer­fens­ter. Da­ge­gen half kein noch so di­cker Vor­hang, aber heu­te abend war er zu mü­de, um sich da­von stö­ren zu las­sen. Es war ein schlim­mer Tag ge­we­sen. Er wür­de nicht dar­über nach­den­ken, über­haupt nicht. Er woll­te nur schla­fen. Mor­gen wür­de es an­ders sein. Mor­gen wür­de es bes­ser sein. Es muß­te. Er knips­te das Licht aus und ließ sich auf die Bett­de­cke sin­ken. Ne­on­schat­ten pul­sier­ten durch das Zim­mer und über­flu­te­ten es rhyth­misch mit stump­fem Rot.
    Un­ru­hig be­gann er ein­zu­dö­sen; es war heiß im Zim­mer, und es war dun­kel.
     
    Er schlief schon fast, als er ei­ne Frau in sei­nem Kopf wei­nen hör­te. Das Wei­nen kratz­te an der In­nen­sei­te sei­nes Schä­dels und drang im­mer wie­der, hier und dort, aus sei­nem Ge­hirn her­aus. Ei­gent­lich war es nicht das Ge­räusch des Wei­nens, im Grun­de war es über­haupt kein hör­ba­res Ge­räusch, son­dern eher ein Ge­fühl, die Es­senz des Wei­nens, ei­ner un­über­wind­li­chen Trau­rig­keit. Oh­ne auf­zu­wa­chen tas­te­te er nach die­sem flüch­ti­gen Ge­fühl und ver­sank da­bei tiefer und tiefer in sich selbst – wie ein Tau­cher, der sich des Nachts in einen sturm­ge­peitsch­ten Ozean ver­senk­te und tief hin­un­ter­schwamm, da­hin, wo es im­mer ru­hig ist, wo­hin kein Licht­strahl

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