Kopernikus 7
zeitlupenhaftem Tempo dicke Blasen auf. Gelegentlich pulsierte der Brei. Dann schob er große Klumpen einer schillernden Materie auf die Urmiel hinauf. Einmal riß der Brei, und Karin erkannte durch die entstandene Öffnung den milden Glanz des Zwischenraums.
Jetzt sah sie auch, daß der Brei mit seltsamen Wesen bevölkert war. Aus einer der Blasen hatte eine riesige, feuchte Zunge über die Urmiel geleckt. Ein Ding, das wie ein purpurner Frosch aussah, fiel seitlich von dem Schiff aus einem Loch, das der Brei freigab, und stürzte, sich verlängernd, in den blauen, schillernden Schatten einer einzelnen Sonne hinab. Ein pulsierendes Kiemenpaar zog sich so abrupt von der Urmiel zurück, daß sich sekundenlang der Umriß eines drahtigen Wesens mit glitzernden Augen vor dem schmatzenden Brei abhob.
Der Brei vibrierte und bildete eine große, schwarze Höhle aus, an deren Rändern eine Doppelreihe blitzender, blauweißer Zähne sproß. Inmitten der Höhle glühte es purpurrot. Mit zwei, drei Lidschlägen taten sich zwei gewaltige fahle Augen auf. Als das Ding näher kam, wuchs es logarithmisch an. Dann erlosch rings um Karin das grüne Licht, und es schien, als werde das Schiff nach vorn gesaugt. Der Antigravschacht erhielt einen schweren Stoß, Metall barst in der Dunkelheit, es roch nach verbranntem Fleisch.
Wenn man auf dem Boden eines tiefen Brunnens steht, leuchten hoch über dem Kopf, in dem kleinen Ausschnitt, den die Brunnenöffnung vom Himmel freigibt, die Sterne auf. Wir haben als Kinder, wenn die Klassenfahrt zu einer mittelalterlichen Burg hinging, alle, der Reihe nach, so in den Himmel geschaut. Man sagt auch, daß Kinder unter einem besonderen Leitstern stehen. Der hellste Stern, ein weißer Riese, den der Zwischenraum durch eine Verwerfung einließ, schien nur für Karin dort angebracht.
Wer war sie? Wo befand sie sich? Was war das für ein behaartes Tier, das über ihre Beine strich? Manchmal erreicht das Grauen einen Punkt, wo einem alles gleichgültig wird. Es scheint so, daß die Welt mit einem Ausmaß an Schrecken ausgestattet ist, daß er – jedenfalls in einen solch kleinen Kopf – nicht mehr hineinpassen will. Während sie noch in dem Tropf Steinwasser auf dem Grund der Höhle lag, jagten Fieberschauer ihren Rücken hinab.
Eine kühle Hand strich über ihren Mund. Etwas streichelte elektrisch ihr Nervengeflecht. Sie war – hätte man sie gesehen – weiß im Gesicht. Ihre Gedanken bauten sich zu einer einzigen phantastischen, lebenserhaltenden Kette auf. Neben ihr waren die Wände der Höhle mit lautem Geräusch geplatzt. Klebrige Feuchtigkeit rann ihre Schenkel hinab.
Sie hatte nach der eisernen Leiter, die in die Wand eingelassen war, gefaßt und rutschte ein halbes dutzendmal in das stinkende, klebrige Wasser ab. Zwei, drei der metallenen Bügel brachen aus, und aus einer Höhe von vielleicht zehn Metern stürzte sie fast ab. Wie in Trance kletterte sie wieder den Antigravschacht hinauf. Einmal glühten die Wände auf. Einen kurzen Augenblick sah sie über die Bordwand der Urmiel in den Zwischenraum hinaus.
Es schien, daß eine grüne Flüssigkeit das Raumschiff von allen Seiten umgab. Die Flüssigkeit spülte über das Schiff hinweg, wie von einer von draußen pumpenden, großen Lunge bewegt. Einmal drang die Flüssigkeit bis zu Karin vor, drang ihr in Mund und Nase ein und glitt durch sie hindurch, bevor das Kind auf der eisernen Leiter das Gleichgewicht verlor. Der Stern über ihr leuchtete noch.
Einmal war Karin mitten in der Nacht aufgewacht, als der Mond bleich und blaß durch das Kabinenfenster schien. Schnell hüpften von dem halb zurückgeschlagenen Laken ein Dutzend Zwerge ab. In der Ecke der Kabine raschelte etwas. Glühende Augen
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