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Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Klei­der an. Sie starr­te ihn einen Au­gen­blick von der Tür aus an. „To­bi­as“, flüs­ter­te sie, als zweifle sie an sei­nem Er­schei­nungs­bild.
    Dann, als vom Bett nicht die kleins­te Re­gung kam, hat­te sie die Tür ganz auf­ge­macht. Sie trat ans Bett her­an. Sie sah auf das Ge­sicht ih­res Bru­ders hin­ab. To­bi­as’ Ge­sicht wirk­te kalt. Es schi­en bleich wie Mar­mor zu sein. In die Bläs­se misch­te sich ei­ne blaue Fär­bung ein. Sein Mund war weit auf­ge­sperrt, oh­ne daß sein Atem ging. Die Au­gäp­fel wa­ren nach oben ge­dreht. Ei­ne Hand, nach der Ka­rin griff, hing schlaff her­ab; sie war noch warm.
    Der Gang den Flur hin­ab währ­te ei­ne Ewig­keit. Am Flu­ren­de zweig­te das große Ba­de­zim­mer ab. Als Ka­rin an der Ba­de­zim­mer­tür vor­über­kam, ver­spür­te sie einen Stich im Herz. Tau­melnd trat sie durch die Tü­re ein. Das Ba­de­zim­mer lag in ei­nem wei­ßen Licht. Ein durch­sich­ti­ger Plas­tik­vor­hang, hin­ter dem et­was lag, teil­te es in zwei Hälf­ten auf.
    Ka­rin zog den Vor­hang auf und sah ih­re Mut­ter, die nackt vor ihr lag. Es ist nicht so, daß die Wa­gen­seils ei­ne prü­de Fa­mi­lie sind. Wel­che Ge­heim­nis­se soll­te es ge­ben, wenn man so eng zu­sam­men­wohnt? Es war viel­mehr die Art, wie ih­re Mut­ter auf dem Bo­den lag: ein we­nig ver­krümmt, ein we­nig zu­sam­men­ge­rollt, als wä­re sie ein Tier, das auf dem Bo­den schlief. Ih­re Haut glänz­te un­ter ei­nem wei­ßen Schleim, wäh­rend sich ih­re Brust un­ter ih­ren Atem­zü­gen leicht senk­te und hob.
    Noch im­mer schwind­lig, trat Ka­rin in die Zen­tra­le ein. Sie preß­te, als sie ih­ren Va­ter sah, die Hand vor den Mund. Er hat­te sich im Steu­er­ses­sel zu­rück­ge­lehnt. Sein Kopf lag auf der Sei­te, als wür­de er schla­fen. Er war über und über in sei­di­ge Fä­den ein­gehüllt, in einen Ko­kon, der um sei­nen gan­zen Kör­per lief. Vor der Be­rüh­rung der kleb­ri­gen Fä­den zuck­te Ka­rin zu­rück.
    Sie blick­te auch ih­rem Va­ter ins Ge­sicht, das ganz grau er­schi­en. In die­ser grau­en Fär­bung zeich­ne­ten sich schar­lach­ro­te Fle­cken ab. Sei­ne Lip­pen wa­ren pur­pur­rot. Das Sei­den­ge­spinst, das auch über sein Ge­sicht ge­brei­tet war, be­weg­te sich ganz leicht, wäh­rend sein Atem ging. Sei­ne Au­gen wa­ren grau und leuch­te­ten in ei­nem kal­ten Licht. Vor­sich­tig und frös­telnd trat Ka­rin ei­ni­ge Schrit­te von ihm zu­rück.
     
    Man sagt, daß Kin­der sinn­los grau­sam sind. Rich­tig ist dar­an si­cher­lich, daß ei­nem Kind mit­un­ter der Sinn über den Zu­sam­men­hang, in den es mit an­de­ren Men­schen ge­stellt ist, ab­ge­ht. Schwie­rig ist es auch, wenn ein mensch­li­ches Ver­hal­ten ge­for­dert wird, für das die Grund­la­ge nicht ge­ge­ben ist. Und schließ­lich – wer weiß schon, was an zar­ten Kei­men, an zar­ten Trie­ben in frü­hen Kin­der­ta­gen zu­grun­de geht und sich auch im spä­te­ren Le­ben end­gül­tig ver­liert? Wer weiß schon, was das für Schmer­zen sind, die es an­de­ren zu­fügt, wenn der Schmerz ihm selbst nicht ge­läu­fig ist? Was Ka­rin Wa­gen­seil be­trifft, so war sie wie ei­ne Blu­me, die ein hef­ti­ger Früh­lings­wind ver­weht. Noch eben in dem gol­de­nen Licht, das, wenn auch von har­ten El­tern, über die Kin­der­ta­ge fällt, so war sie jetzt in der Ur­miel gleich­sam aus­ge­klinkt. Erst mit der Ab­we­sen­heit der Son­ne ver­steht man, wie kühl die Nacht sein kann. Ein Schiff wie die Ur­miel scheint nur aus nack­tem Me­tall, aus blan­ken Lei­tun­gen und aus ei­nem ge­fühl­lo­sen Elek­tro­nen­ge­hirn zu be­ste­hen, wenn man es mit ängst­li­chen Au­gen sieht.
    Die Flu­re des Schiffs, durch die Ka­rin kam, wa­ren kalt und still. Die Wän­de des Turn­saals schie­nen braun und ver­gilbt. In dem ku­gel­run­den Bas­sin, in dem sich das Was­ser ewig frisch er­hielt, hing Chlor­ge­ruch, der dem Mäd­chen vor­her so in­ten­siv nicht auf­ge­fal­len war. Im Ma­schi­nen­saal stand das Öl klamm und dick. Die Ster­ne, die sie vor den Bullau­gen vor­über­zie­hen sah, blick­ten kühl auf sie her­ab. Ih­re Stim­me, mit der sie auf ein Ton­band sprach, kam mo­no­ton zu­rück.
     
    In der Bie­gung des Kor­ri­dors hing von

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