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Kopernikus 8

Kopernikus 8

Titel: Kopernikus 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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geben, können sie auch wieder nehmen.
    Elfleda wedelt wieder mit dem Schwanz. Die schwarze Spitze berührt ihre Pferdeschulter, ihre Flanken. Der Wind weht ihr kurzes, feines Haar vom Kopf weg und verleiht ihr so einen silbernen Heiligenschein. Ich schreite auf sie zu, und sie weicht nicht zurück. Aber ich bin schweißnaß und staubverkrustet, und ich rieche wie ein erhitztes Pferd, nicht wie ein Mensch. Es ist mir peinlich, mich ihr so zu nähern. Sie beobachtet mich und wartet furchtlos. Sie weiß, wenn nötig, könnte sie mir entfliehen. Sie haben mich groß gemacht – größer als im Leben, im wahren Leben –, aber sie ist geschwind, und ihre Hufe sind scharf. Sie haben mir auch nicht soviel von meiner Menschlichkeit genommen, daß ich sie mit Gewalt nehmen könnte. Das wäre wahrlich ein bitterer Sieg.
    „Früher hielt ich mich nicht für häßlich …“ Meine Stimme klingt kläglich. Ich sollte nicht so zu ihr sprechen, als wäre ich zufrieden, würde sie mich aus Mitleid akzeptieren.
    Sie runzelt die Stirn, doch dann kommt sie auf mich zu. „Und wenn du es wärst, Achilleus, du weißt, mir wäre es gleich.“ Sie greift nach mir, ich kann die Wärme ihrer Hand am Gesicht spüren. Sie hat mich noch niemals berührt.
    Ich weiche zurück und wende mich ab. „Du hältst mich immer noch nicht für attraktiv.“
    „Das ist nicht fair.“
    Und nicht einmal jetzt sehe ich sie an, obwohl ich weiß, daß sie recht hat. „Du hast ihre Regeln akzeptiert. Nichts bindet uns an sie.“
    „Meinst du nicht?“
    „Was hält dich davon ab, mich zu lieben?“
    „Wir lieben, oder aber wir lieben nicht.“
    „Wir lassen es zu, daß sie uns beherrschen.“
    „Wir können sie nicht aufhalten“, sagt sie, und wieder hat sie recht. Zwischen der Zeit ihres Kommens gebe ich mich gern dem Glauben hin, wir könnten ihnen Widerstand leisten, wenn wir es versuchen, und ich gebe unserem Gehorsam, unserer Schwäche und unserer Unterwürfigkeit die Schuld, unserer Bereitschaft, beherrscht und damit von jeglicher Verantwortung entbunden zu sein. Doch wenn mich der Zwang überkommt …
    Elfleda berührt meinen Arm, ich zucke heftig zusammen. Sie springt ebenso überrascht wie ich zurück, ihre andere Hand ist immer noch zum Himmel erhoben, wohin sie meine Aufmerksamkeit lenken wollte.
    „Schau.“
    Dunkelheit hat sich herabgesenkt. Ich betrachte die Sterne und sehe ein gleißendes, vielfarbiges Licht näher kommen. Über uns fliegen unsere Meister in einem lenkbaren Luftschiff, das majestätisch über den Bergen dahingleitet. Seine Maschinen sind fast lautlos. Es ist in Licht gebadet, das sogar die Baumwipfel darunter zu erhellen vermag. Es zieht direkt über uns dahin, wir hören Musik und Gelächter. Ich betrachte Elfleda. Das Licht färbt ihre Gestalt rot, violett, blau, grün. Ihr Ausdruck ist hoffend und sehnsüchtig. Mich sieht sie nicht an.
    Ein scharfer Schrei des Schmerzes oder des Entzückens lenkt meine Aufmerksamkeit wieder zum Luftschiff. Als ich den Blick wieder senke, ist Elfleda verschwunden.
    Aber was macht das schon? Was schert mich sie? Wenn sie mich nicht begehrt – andere tun es. Vor einem Augenblick fühlte ich mich noch abgespannt und müde, nun aber bin ich wieder mächtig und voller Freude. Zwischen mir und der Wiese liegt der halbe Wald, und wenn ich mich nicht beeile, werde ich zu spät kommen. Doch Entfernungen spielen keine Rolle. Immergrüne Zweige streichen über meine Gestalt, während ich dahineile. Der Schmerz in meinen Hufen ist kaum mehr als ein Insektenstich.
    Alle von unserer Art haben sich auf der Wiese versammelt, Tiere und Halbmenschen gleichermaßen. Die kleinen Pegasi fliegen um und über uns, während die größeren, flugunfähigen ihr Gefieder zur Schau stellen. Ein auf einem Felsen sitzender Gryphon brüllt und kreischt, während der überirdische Schein des Fluggeräts uns einhüllt. Das Luftschiff senkt sich langsam herab. Es ist so groß, daß sein Umriß die Sterne auslöscht. Ich ergreife ein Haltetau, die Zentaurin Hekate ein anderes. Hekate zieht fester als ich, ihre Muskeln treten hervor. Das Schiff senkt sich auf ihrer Seite, sie lacht. Wir ziehen das Schiff gegen die Fliehkraft herunter und glorifizieren unsere Stärke. Dann binden wir die Taue an Bäumen fest. Unsere Meister betreten den Boden.
    Sie sind gewöhnliche Menschen, so gewöhnlich wie wir vor unserer Veränderung. Sie sehen so seltsam aus mit ihren zwei Beinen sowie den fehlenden Hufen, Klauen und Haaren. Sie

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