Kopernikus 8
alles in Ordnung kommt!“ wütet Chib.
Er hechtet nach vorn und nimmt eine Dose Sprühleim vom Regal. Der Leim wird von Benedictine dazu benützt, ihre Perücken an der Kopfhaut festzukleben, und er hält ewig, wenn er nicht durch ein entsprechendes Gegenmittel gelöst wird.
Benedictine und Bela schreien gleichzeitig, als Chib Benedictine ergreift und dann auf den Boden legt. Sie wehrt sich heftig, doch es gelingt ihm, den Leim auf die Kanüle, ihre Haut und die zugehörigen Haare zu sprühen.
„Was tust du da?“ kreischt sie.
Er drückt den Knopf der Kanüle auf maximale Schaumkraft, dann sprüht er ihn mit Leim fest. Sie wehrt sich immer noch, doch er hält ihre Arme dicht an den Körper gepreßt und verhindert, daß sie sich hin und her rollen kann, damit die Kanüle nicht rein oder raus rutscht. Chib zählt lautlos bis dreißig, dann nochmals bis dreißig, um sicherzustellen, daß der Leim auch wirklich getrocknet ist, dann läßt er sie los.
Der Schaum quillt um ihre Lenden und tropft an ihren Beinen hinunter, wo er sich am Boden ausbreitet. In der unzerstörbaren Kanüle steht die Flüssigkeit unter ungeheurem Druck, und der Schaum quillt rasend schnell auf, wenn er der offenen Luft ausgesetzt wird.
Chib nimmt das Gefäß mit dem Gegenmittel vom Regal und hält es fest, um ihr eindeutig klarzumachen, daß sie es nicht bekommen wird. Benedictine springt auf und schlägt nach ihm. Er lacht wie eine Hyäne, blockt ihre Faust ab und schiebt sie weg. Sie rutscht auf dem mittlerweile knöcheltiefen Schaum aus, fällt, dann gleitet sie auf den Hinterbacken rückwärts ins Schlafzimmer, wobei die Kanüle über den Boden streift.
Sie steht auf, und nun erst erkennt sie völlig, was Chib getan hat. Sie schreit immer lauter. Sie tanzt herum und zieht an der Kanüle, ihre Schreie werden dabei vor Schmerzen immer greller. Dann wendet sie sich um und läuft aus dem Zimmer, besser gesagt, will aus dem Zimmer laufen, rutscht aber wieder aus. Bela steht ihr im Weg, beide klammern sich aneinander und schlittern aus dem Zimmer, wobei sie sich unter der Tür sogar halb drehen. Der Schaum wirbelt auf, so daß die beiden wie Venus und ihre Freundin aussehen, die aus den schaumgekrönten Wogen des zyprischen Meeres emporsteigen.
Benedictine schiebt Bela von sich, verliert dabei aber einige Zentimeter Fleisch an Belas spitze Fingernägel. Bela schießt rückwärts durch die Tür und wieder auf Chib zu. Sie sieht wie eine Eislaufschülerin aus, die sich bemüht, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Dabei ist sie allerdings nicht erfolgreich und schießt an Chib vorbei. Sie rutscht heulend auf dem Rücken, die Beine starr in die Luft gestreckt.
Chib gleitet mit bloßen Füßen über den Fußboden und kommt unsicher vor dem Bett zu stehen, wo er seine Kleider nimmt, dann aber entscheidet, daß es vielleicht sicherer ist, sie erst draußen anzuziehen. Er kommt gerade noch rechtzeitig in den ringförmigen Flur, um Benedictine zu sehen, die an einer der Säulen vorbeikriecht, welche den Korridor vom Atrium trennen. Ihre Eltern, zwei Behemots mittleren Alters, sitzen immer noch auf dem Flato, Bierdosen in Händen, Augen aufgerissen, Mund sperrangelweit offen, zitternd.
Chib wünscht ihnen nicht einmal eine gute Nacht, während er an ihnen vorbei zum Ausgang geht. Doch dann sieht er das Fido und erkennt, daß ihre Eltern es von EXT nach INT und dann weiter in Benedictines Zimmer geschaltet haben. Vater und Mutter haben Chib und Tochter beobachtet, und es ist offensichtlich, was man an Vaters noch nicht ganz wiederhergestellter innerer Ruhe ermessen kann, daß ihnen dieses kleine Schauspiel sehr gefallen hat, das alles übertraf, was man über externes Fido empfangen kann.
„Ihr voyeuristisches Dreckpack!“ brüllt Chib.
Benedictine ist bei ihnen angelangt, richtet sich auf, weint, zetert, deutet auf die schäumende Kanüle, dann auf Chib. Bei Chibs Schrei fahren die beiden Eltern wie Leviathane aus den Tiefen auf. Benedictine wendet sich um und läuft mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, Finger gekrümmt und gespreizt, die langen Nägel parat, ihr Gesicht das einer Medusa. Hinter ihr ergießt sich der Schaum in einer langen Spur, auf der Vater und Mutter folgen.
Chib stützt sich an einer Säule ab, prallt weg und schlittert hilflos weiter, wobei er sich nach seitwärts dreht, was er nicht verhindern kann. Doch es gelingt ihm, das Gleichgewicht zu halten. Mama und Papa sind mit einem Schlag umgefallen, der das ganze Haus in
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