Kopernikus 8
träumt. Einer der Liegenden erhebt sich auf alle viere und kriecht zwischen Gobrinus’ Beinen hindurch ins Freie.
„Sergeant, verhaften Sie diesen Mann!“ sagt Gobrinus. „Er trägt ein illegales Fido bei sich. Ich klage ihn des Eindringens in meine Privatsphäre an.“
O’Haras Gesicht hellt sich auf. Wenigstens einen wird er verhaften können. Legrand wird in den Panzerwagen gesperrt, der kurz nach dem Krankenwagen ankommt. Roter Falke wird von seinen Freunden bis vor die Tür getragen. Als er auf einer Bahre zum Krankenwagen getragen wird, öffnet er die Augen und murmelt etwas.
O’Hara beugt sich über ihn. „Was?“
„Ich habe einmal nur mit dem Messer bewaffnet gegen einen Bären gekämpft, aber hinterher habe ich besser ausgesehen als mit diesen Fotzen da drinnen. Ich klage sie folgender Vergehen an: Überfall, Körperverletzung, Mordversuch und Verstümmelung.“
O’Haras Versuche, Roter Falke einen Haftbefehl unterschreiben zu lassen, sind zum Scheitern verurteilt, weil dieser schon wieder ohnmächtig geworden ist. Er flucht. Als es Roter Falke wieder bessergeht, weigert er sich zu unterschreiben. Er möchte nicht, daß ihm die Mädels und ihre Typen hinterherkommen, schließlich ist er ja noch bei Verstand.
Legrand schreit und tobt durch das Fenster des Panzerwagens: „Ich bin ein Gummint-Agent! Sie können mich nicht verhaften!“
Die Polizisten erhalten einen dringenden Ruf zur Front des Festivals, wo ein Kampf zwischen hiesigen Jugendlichen und Eindringlingen von Westwood zu einem Aufruhr zu werden droht. Benedictine verläßt die Taverne. Ungeachtet mehrerer Schläge gegen Schultern und Magen, eines Tritts in den Hintern und eines Hiebs auf den Kopf, zeigt sie wenig Anzeichen dafür, daß sie ihren Fötus verlieren wird.
Chib, halb glücklich, halb traurig, sieht ihr nach. Er verspürt einen dumpfen Kummer darüber, daß man dem Baby das Lebensrecht verweigern wird. Mittlerweile hat er erkannt, daß ein Teil seiner Ablehnung des Schwangerschaftsabbruchs mit der Tatsache zusammenhängt, daß er sich teilweise mit dem Fötus identifiziert. Er weiß etwas, von dem Großpapa annimmt, daß er es nicht weiß: daß seine eigene Geburt nämlich auch ein Unfall war – im glücklichen oder im unglücklichen Sinne. Wäre es anders gekommen, dann wäre er nicht geboren worden. Der Gedanke an seine Nichtexistenz – kein Malen, keine Freunde, kein Gelächter, keine Hoffnung, keine Liebe – entsetzt ihn. Seine Mutter – im Suff häufig außerstande, auf empfängnisverhütende Mittel zurückzugreifen – hatte viele Abtreibungen, und er hätte eine davon sein können.
Während er Benedictine nachsieht, wie sie davontorkelt (ungeachtet ihrer zerrissenen Kleider), fragt er sich, was er eigentlich in ihr gesehen hat. Ein Leben mit ihr, auch mit Kind, wäre alles andere als angenehm geworden.
Im von Hoffnungsnesten durchzogenen Munde
Fliegt die Liebe erneut und läßt sich nieder,
Gurrt, blitzt mit gefiederter Glorie, plustert sich auf
Und fliegt dann scheißend davon,
Wie es bei den Vögeln üblich ist,
Um dem Start mehr Rückstoß zu verleihen.
Omar Runic
Chib geht nach Hause, kann aber immer noch nicht in sein Zimmer gehen. Er geht ins Vorratszimmer. Das Bild dort ist zu sieben Achteln fertig, wurde aber nicht ganz beendet, weil er unzufrieden damit ist. Nun nimmt er es und transportiert es zu Runics Haus, das sich im gleichen Stock befindet. Runic ist im Zentrum, er läßt allerdings immer alle Türen offen, wenn er nicht zu Hause ist. Er verfügt über die Ausrüstung, mit der Chib sein Bild vollenden kann, wobei er mit einer Effizienz arbeitet, die ihm anfangs bei diesem Bild fehlte. Dann verläßt er Runics Haus, wobei er die riesige Leinwand über sich hält. Er geht an den Fußwegen und den gewundenen Streben mit den Ovalen am Ende vorbei. Er durchstreift mehrere Grünanlagen mit Bäumen, geht an weiteren Häusern vorbei und nähert sich nach zehn Minuten dem Herzen von Beverly Hills. Hier sieht der merkurische Chib
DREI BLEIERNE DAMEN IM GÜLDENEN
NACHMITTAGE
die in einem Kanu auf dem Lake Issus rudern. Maryam bint Jussuf, ihre Mutter und ihre Tante halten lustlos Angelgerten, während sie zu den grellen Farben, der Musik und der vor dem Folklorezentrum versammelten Menge hinübersehen. Inzwischen haben die Polizisten die Jugendbanden entfernt und stehen herum, um sicherzustellen, daß keiner mehr Arger macht.
Alle drei Frauen sind in die feierlichen, den
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