Kopernikus 8
und später war er zum Wünscheerfüllen geeignet. Warum war ein und dieselbe Pflanze an manchen Stellen gut und an anderen schlecht? Warum nannte man sie Unkraut? Armer kleiner Löwenzahn, dachte Spatz, du bist eigentlich gar nicht schlecht, du wächst nur am falschen Ort, das ist alles. Und das ist nicht mal deine Schuld. Unkräuter kommen nicht freiwillig als Unkräuter auf die Welt.
Plötzlich fiel ein Schatten über den Sand. Spatz schreckte zurück. Coyote ragte über ihm auf. Er beugte sich lächelnd herab. Spatz hielt den Atem an, dann sah er hinabblickend, daß er das kleine Unkräutlein versehentlich mit den Fingern herausgerissen hatte. Er begann zu weinen, da legte Coyote ihm die Arme um die Schultern, doch er riß sich los und hob das Löwenzahnpflänzchen auf. Die haarähnlichen Wurzeln hielten noch ein wenig Erdreich umklammert, doch die Pflanze sah bereits aus, als würde sie zu welken beginnen.
Er sah vorwurfsvoll zu Coyote empor, der besorgt dreinblickte und sagte: „Wir können es wieder einpflanzen.“
Spatz schüttelte den Kopf und hielt das Pflänzchen so, daß Coyote es genauer ansehen konnte.
„Ach so“, meinte Coyote. Er sah sich um, dann deutete er zur Wiese. „Dann pflanzen wir es eben dort ein.“
Sie gingen gemeinsam den Gartenweg zurück und zur Wiese hinüber. Coyote kniete nieder und grub mit seinen dicken Wurstfingern in der feuchten Erde. Danach zerkrümelte er sorgsam Erdbällchen um die verletzbaren Würzelchen herum, bis die Pflanze so gesund und sicher wie im Garten aussah.
Spatz stieß Coyote an der Schulter an und machte Handzeichen. Ist jetzt wieder alles in Ordnung?
Coyote lächelte. „Ich glaube schon. Unkräuter sind verdammt zähe Burschen.“
Spatz seufzte und ließ sich auf die Fersen zurücksinken. Das kleine Fleckchen Sand, kaum größer als seine Handfläche, auf dem das Unkräutlein sprießte, war nun sein eigener Garten. Er kam zu dem Ergebnis, daß er ihn dem großen Familiengarten vorzog. Er würde jeden Tag die Pflanze gießen, damit sie saftige grüne Blätter und eine große gelbe Blüte bekam. Und dann im Herbst …
Coyote nahm ihn bei der Hand. „Komm“, sagte er. „Höchste Zeit zum Waschen.“
Spatz runzelte die Stirn und signalisierte mit der linken Hand: Wozu?
Coyote gab vor, vor lauter Verblüffung ganz aus dem Häuschen zu sein, so daß Spatz lachen mußte. „Hast du das denn schon vergessen? Heute ist doch der Tag von Wanderers großer Überraschung!“
Spinne holte ein Fahrrad aus dem Schuppen und schob es in die Sonne, wo Fuchsia stand und Häschen im Arm hielt. Glasurspritzer waren auf der braunen Gesichtshaut und in den Haaren auf Brust und Armen getrocknet.
„He“, sagte er zu ihr. „Nochmals vielen Dank. Rose sagte aber, ihr würde es nichts ausmachen, sie zu nehmen, wenn du deine Meinung ändern solltest.“
Spinne schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, ehrlich, das tue ich doch gerne. Es wird bestimmt sehr lustig werden.“ Sie rückte lachend ihre Sonnenbrille zurecht. „Häschen ist noch zu jung, um mir Ärger zu machen, oder nicht, Mädchen?“ Sie hob Häschen aus den Armen ihres Bruders, das Weiß ihrer Hände wirkte sogar im Vergleich mit Häschens rosafarbener Haut fahl, und setzte sie in den Babykorb zwischen der Lenkstange. „Alles klar?“
Häschen kicherte. Fuchsia ging wieder zum Haus zurück.
„He!“ rief sie ihm hinterher. „Du bist wirklich der einzige Mann, mit dem ich klarkomme.“ Er lachte, doch dann erblickte er etwas hinter ihr und wurde wieder ernst. Sie wandte sich um und sah Spatz und Coyote Hand in Hand näher kommen. Coyotes Wangen wirkten eingefallen, aber er lächelte – sie sah zurück zu Fuchsia, doch der war hinter der Rundung der Kuppel verschwunden. Sie stieß einen langen Seufzer
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