Kopernikus 8
nieder. Spinne zupfte einen dicken Grashalm heraus und kaute auf einem Ende, während sie die subtilen Farbveränderungen in Wanderers achatfarbenen Pupillen betrachtete.
„Wann wird denn das große Ereignis stattfinden?“
„Ich habe mich für drei Uhr zweiundvierzig entschieden“, antwortete Wanderer. „Ich habe die Wehen heute morgen beginnen lassen. Ich hatte ursprünglich heute abend sieben Uhr erwogen, bin dann aber davon abgekommen. Nun entgeht mir die Konjunktion von Mars und Venus, aber dafür erhalte ich einen herrlichen Trigonalaspekt, und der Mond steht im Krebs, und das gefällt mir.“
Spinne mußte lachen. „Weißt du, ich habe nicht den leisesten Schimmer, wovon du überhaupt sprichst.“
Wanderer zog eine ihrer buschigen Brauen in die Höhe. „Du solltest wenigstens wissen, daß dein Mond ebenfalls im Krebs steht!“
„Großartig“, sagte Spinne. „Wir werden einen Klub gründen.“ Sie beugte sich hinüber und küßte Wanderers Wange. „Aber meinst du nicht, du hättest du-weißt-schon-wen wegen des Zeitpunkts fragen müssen?“
Wanderer runzelte die Stirn – „Wen? Oh!“ – und sagte lachend: „Dummerchen, das ist doch der springende Punkt. Ich habe den richtigen Zeitpunkt durch Abstimmung mit meinem Inneren erreicht. Ich würde doch nichts erzwingen wollen! Schließlich ist dies der wichtigste Tag dieses neuen Lebens.“ Sie streichelte mit der Hand den Stoff über ihrem Bauch.
Spinne biß sich auf die Lippe. „Du, Wanderer …“
„Hmm?“ Wanderer drehte ihr den Kopf zu, doch ihre Augen schienen einen Punkt hinter Spinnes linker Schulter zu fixieren. „Was ist?“
„Ich wollte sagen … nun … sagen …“
Wanderer preßte eine Fingerspitze sanft auf Spinnes Lippen. „Ja“, sagte sie. „Ich habe die anderen bereits gefragt. Ich glaube, es geht in Ordnung.“
Spinne küßte ihre Handflächen. „Du hast meine Gedanken nicht vollständig gelesen.“
Wanderers Augenbrauen wuchsen zu einer langen, dichten Hecke zusammen. „Ich dachte … ich meinte … möchtest du denn nicht zu uns ziehen?“
Spinne atmete tief ein und stieß einen Seufzer damit aus.
„Oh“, sagte Spinne schließlich. „Oh. Natürlich.“ Sie hob den Kopf vom Gras. „Stören sie dich denn so sehr?“
„Ja“, sagte Spinne nach längerer Pause.
„Oh, ich liebe dich wirklich, aber du mußt verstehen, daß ich meine Familie jetzt noch nicht verlassen kann.“
„Deine Familie an sich stört mich überhaupt nicht“, sagte Spinne. „Nur die Männer.“
„Ich weiß, daß du so denkst. Aber warum?“
Spinne atmete aus, richtete sich auf und strich sich über die Stirn. „Ich weiß nicht. Ich meine, schon, ich kenne das Gefühl seit zwei Jahren in- und auswendig, und es wird immer stärker. Ich weiß nicht, warum ausgerechnet ich so davon betroffen bin – vielleicht liegt das an dem Mann, mit dem ich zusammenlebe. Sie … sie passen einfach nicht, verstehst du. Sie passen nicht zu mir. Man könnte es einen Mangel an gemeinsamen Erfahrungen nennen. Ich weiß nur eines, daß ich nicht mehr länger mit ihnen zusammenleben möchte.“ Sie sah zu Wanderer hinab und bewegte sich etwas, um ganz in ihrem Blickfeld zu sein.
„Aber Spinne, du mußt verstehen, hier kann ich mich endlich entspannen. Zum erstenmal seit Jahren habe ich eine Heimat. Ich würde dich gern in unserer Mitte sehen, denn ich weiß, wie unglücklich du mit Coyote bist, aber ich bitte dich, nicht von mir zu verlangen, daß ich dich gegen meine Familie eintauschen soll. Denn dann müßte ich nein sagen müssen.“ Ihre Fingerspitzen zogen die Linie von Spinnes Mund nach, die Ränder unter den Augen und die Brauen. „Sei nicht traurig“, sagte Wanderer. „Liebes, als Sachen behandelt, können Menschen niemals glücklich
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