Kopernikus 8
zwischen den Zähnen hervor, versuchte ein Lächeln und wandte sich wieder um.
„Hallo, Spatz! Wie geht es meinem kleinen Mann denn?“
Spatz lächelte ihr zu, sah kurz zu Coyote auf, dann legte er die letzten paar Meter laufend zurück. Spinne beugte sich hinab, um ihn zu umarmen, doch das Fahrrad kam aus dem Gleichgewicht, und sie mußte auf einem Fuß hüpfen, um nicht umzufallen. Dabei fiel ihr allerdings die Sonnenbrille von der Nase – sie fluchte und verbarg die Augen vor dem grellen Sonnenlicht, während Häschen zu weinen begann. „Schon gut, Häschen, schon gut“, beschwichtigte sie das Kind, dann sagte sie: „Spatz, würdest du mir bitte die … ja, danke.“ Sie nahm die Brille entgegen, setzte sie wieder auf und blinzelte. Coyote stand neben ihr und biß sich auf die Lippen.
„Oh, danke“, wiederholte sie dann. „Wo ist Spatz?“
„Weggelaufen. Was hattest du erwartet? Soll ich …?“
„Nein, danke. Schon gut, ich werde später mit ihm reden.“ Ihr Götter, dachte sie dabei, wenn er mich doch nur angeschrien hätte, anstatt mich nur so anzusehen. „Hör zu“, sagte sie dann. „Ich werde ein wenig Zeit mit Wanderer verbringen. Ihr könnt ja später nachkommen, okay?“ Sie fuhr rasch davon, war nicht ganz sicher, ob sie eine Antwort gehört hatte, und wandte sich an den Kuppeln vorbei zur Wiese und dem Wald. Sobald sie sich ausreichend sicher fühlte, ließ sie sich auf den Fahrradsitz nieder und atmete tief durch, wobei sie sich bemühte, langsam zu atmen. Sie konnte ihre Schultern zittern spüren. Götter im Himmel, warum hatte Coyote nur einen so großen Einfluß auf sie? Zum Teufel mit dem Mann, fauchte sie sich selbst an und wartete auf die unverzügliche Reue. Sie kam nicht. Sie war nur müde und erleichtert, allein zu sein. Wenigstens würde Häschen sie nicht in eine häßliche Szene verwickeln.
Sie strampelte weiter den schmalen Pfad entlang und segelte stumm durch die Lichtmuster und Gerüche des Waldes. Unter den Bäumen war das Sonnenlicht nicht so schmerzend grell. Das dichte Piniennadelbett des Waldes absorbierte nahezu alle Geräusche, strömte dafür jedoch einen starken Geruch aus, einen sexuellen Geruch, einen Geruch langsamer Verwesung, während die säurehaltigen Nadeln langsam zu feuchter Erde zerfielen. Vier Vogelarten konnte sie anhand ihrer Stimmen bestimmen. Als sie schneller fuhr, strich ihr der Wind übers Gesicht und durchs Haar, und obwohl sie so müde war, lachte sie und trat noch etwas schneller in die Pedale.
Häschen war glücklich in ihrem Korb. Sie strampelte mit den Beinen und bewegte die Hände wie in einem selbstvergessenen Tanz, während sie mit leiser Stimme vor sich hin sang. Spinne fuhr einen kleinen Hügel hoch und auf der anderen Seite wieder hinab, wobei sie die Haltegriffe losließ und die Arme wie Schwingen ausbreitete. Sie sang einige Strophen aus einem alten, traurigen Lied, das Schwan gerne auf der Gitarre spielte. I wish I had a river soooo long, I would spread my wings and fly-yyy …
Am Fuß des Hügels gabelte sich der Weg bei einer großen Fichte, die jeder Douglas nannte, die älteste im Wald. Ein Weg führte zum Gemeinschaftszentrum, wo Schwan und Coyote und Rose zeitweise arbeiteten, um das Gemeinschaftsquantum ihres Haushalts zu erfüllen. Spinne wählte den anderen Weg, die Ringstraße, die zu jedem anderen Haushalt in diesem Teil des Tales führte. Von hier aus hatte sie noch fünfzehn Minuten bis zu Wanderers Farm zu fahren.
Alles in allem umfaßte das Dorf Noti siebenundvierzig Haushalte, von denen manche bis zu dreißig Leute umfaßten, aber es gab auch Dreiergruppen, Paare und Einsiedler. Ihre Häuser waren über sechs Hektar des Tales verteilt und durch Wälder und Felder getrennt, nur verbunden
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