Kopernikus 8
‚Pellucid’ bedeutet gleichmäßige Lichtreflexion von allen Oberflächen’ oder ‚maximaler Lichtdurchlaß ohne Brechung oder Absorption’. Winnegans Bilder machen genau das Gegenteil. Doch der aufmerksame Beobachter kann in dem gebrochenen und diffusen Licht einen klaren und ungebrochenen Schein erkennen. Dies ist das Licht, das alle gebrochenen und vielfältigen Ebenen vereint, das Licht, an das ich in meiner früheren Diskussion vom ‚Zeitalter des eingestöpselten Menschen’ und dem Polarbären dachte.
Bei ganz genauem Beobachten mag der Beschauer dies entdecken und es fühlen, als wäre es der Herzschlag von Winnegans Welt.“
Ruskinson fällt beinahe in Ohnmacht. Luscus’ Lächeln und die schwarze Augenklappe erwecken den Eindruck, als sei er ein Pirat, der gerade eine spanische Galeere voller Gold geentert hat.
Großpapa, immer noch am Skop, sagt: „Und dort ist Mary am bint Jussuf, die ägyptische Hinterwäldlerin, von der du mir erzählt hast. Dein Saturn – fern, königlich, kalt und trägt einen dieser freischwebenden, wirbelnden und vielfarbigen Hüte, die derzeit der letzte Schrei sind. Die Ringe des Saturn? Oder ein Heiligenschein?“
„Sie ist wunderschön, und sie gäbe eine herrliche Mutter für meine Kinder ab“, sagt Chib.
„Der Schock für Arabien. Dein Saturn hat zwei Monde, Mutter und Tante. Anstandsdamen! Du sagst, sie würde eine gute Mutter abgeben. Was für eine prächtige Frau. Ist sie intelligent?“
„Sie ist so schlau wie Benedictine.“
„Also eine blöde Kuh. Du hast echt Auswahltalente. Woher weißt du, daß du sie liebst? In den vergangenen sechs Monaten hast du zwanzig Frauen geliebt.“
„Ich liebe sie. So ist das.“
„Bis zur nächsten. Kannst du denn wirklich außer deinen Bildern noch etwas anderes lieben? Benedictine wird sich einer Abtreibung unterziehen, richtig?“
„Nur dann, wenn ich es ihr nicht ausreden kann“, sagt Chib. „Um die Wahrheit zu sagen, ich kann sie nicht mehr sehen. Aber sie trägt mein Kind in sich.“
„Laß mal deine Lenden sehen. Nein, du bist ein Mann. Einen Augenblick lang war ich nicht sicher, wie du so verrückt sein und ein Kind wollen kannst.“
„Ein Baby ist ein Mittel, Sextillionen von Ungläubigen zu bekehren.“
„Mag schon sein. Aber weißt du denn nicht, daß Onkel Sam sich das Herz aus dem Leib redet, um die Geburtenrate so niedrig wie möglich zu halten? Wo warst du denn dein Leben lang?“
„Ich muß jetzt gehen, Großpapa.“
Chib küßt den alten Mann und kehrt in sein Zimmer zurück, um das letzte Bild zu beenden. Die Tür erkennt ihn immer noch nicht, daher ruft er im Gummint-Reparaturladen an, doch dort teilt man ihm mit, daß alle Angestellten das Folklorefestival besuchen. Er verläßt das Haus berstend vor Wut. Girlanden und Luftballons wehen im künstlichen Wind, der extra für diesen Anlaß etwas stärker eingestellt wurde, und ein Blasorchester spielt am Strand des künstlichen Sees.
Großpapa sieht ihm durch das Skop nach.
„Armer Teufel. Seine Schmerzen bereiten mir Schmerzen. Er möchte ein Kind, und er zerfrißt sich innerlich, weil der arme Teufel Benedictine ihr Kind abtreiben läßt. Teil seines Schmerzes, aber das weiß er nicht, ist seine Identifizierung mit dem todgeweihten Embryo. Seine eigene Mutter hatte zahllose – nun, zumindestens einige – Abtreibungen. Doch durch Gottes Gnade hätte auch er eine davon sein können, ein weiteres Nichts. Er möchte, daß dieses Baby auch eine Chance bekommt, aber er kann nichts dazu tun, gar nichts.
Und dann ist da auch noch ein anderes Gefühl, das er mit dem größten Teil der Menschheit teilt. Er weiß, daß er sein Leben versaut hat oder daß etwas es aus der Bahn geworfen hat. Jeder
Weitere Kostenlose Bücher