Kopernikus 8
Wasserfälle frei über das glockenförmige Kleid ergießen.
Ihr Gesicht ist dick geschminkt mit Grün und Aquamarin, trägt ein Schönheitspflästerchen und als Schmucksteine Topas. Sie trägt des weiteren einen gelben Büstenhalter mit künstlichen rosa Nippeln, von dem BH hängen winzige Seidenröllchen herab. Ein hellgrünes Korsett mit schwarzen Rosetten umspannt ihre Hüfte. Über dem Korsett, dieses halb verdeckend, befindet sich eine schimmernde Drahtstruktur, die mit einem gesteppten rosa Stoff überspannt ist. Diese erstreckt sich weit über den Rücken hinaus und bildet eine Art Vogelschwanz, an dem lange, künstliche Vogelfedern befestigt sind.
Darunter bauscht sich ein knöchellanges, halbdurchsichtiges Kleid auf. Es verbirgt nicht die gelb und dunkelgrün gestreiften Seidenunterhöschen, die weißen Schenkel und die schwarzen Netzstrümpfe mit den grünen Stickereien, die wie Noten geformt sind. Ihre Schuhe sind hellblau, die hochhackigen Absätze aus Topas.
Benedictine ist so kostümiert, weil sie beim Folklorefestival singen möchte. Einzig ihr Sängerhut fehlt noch. Unter anderem ist sie deswegen hergekommen, um Chib Vorwürfe zu machen, weil er ihr einen Bauch gemacht und damit ihr Äußeres verunstaltet hat, wodurch er ihre Chancen für eine Karriere verringerte.
Sie ist in Gesellschaft von fünf Mädchen zwischen sechzehn und einundzwanzig, die alle S (für Schädelpuster) trinken.
„Können wir uns denn nicht ungestört unterhalten, Benny?“ fragt Chib.
„Wozu?“ Ihre Stimme ist ein lieblicher Alt mit einer häßlichen Modulation.
„Du hast mich nur hierherkommen lassen, um mir in aller Öffentlichkeit eine Szene zu machen“, sagt Chib.
„Um Himmels willen, was für eine Szene ist denn hier schon?“ kreischt sie jetzt auf. „Seht ihn euch an, er will sich mit mir allein unterhalten!“
Erst nun erkennt er, daß sie Angst davor hat, mit ihm allein zu sein. Mehr noch, sie ist überhaupt nicht imstande, allein zu sein. Jetzt weiß er, warum sie darauf bestand, daß die Schlafzimmertür offen und ihre Freundin Bela in Rufweite bleiben mußte. Und Hörweite.
„Du hast gesagt, du würdest nur deinen Finger nehmen!“ brüllt sie. Sie deutet auf ihren rundlichen Bauch. „Ich bekomme ein Baby! Du verkommener, verlogener Scheißkerl!“
„Das stimmt überhaupt nicht“, widerspricht Chib. „Du hast gesagt, es sei alles in Ordnung. Du liebst mich.“
„,Liebe! Liebe!’ sagt er! Woher, zum Teufel, soll ich wissen, was ich alles gesagt habe, nachdem du mich so auf gegeilt hattest! Jedenfalls habe ich nicht gesagt, daß du ihn reinschieben kannst! Das habe ich niemals gesagt! Und was du dann erst gemacht hast! Was du gemacht hast! Mein Gott, ich konnte fast eine Woche nicht mehr richtig gehen, du Scheißkerl, du!“
Chib schwitzt. Ausschnitte aus Beethovens Pastorale ertönen vom Fido, ansonsten ist es still im Zimmer. Seine Freunde grinsen. Gobrinus hat ihnen den Rücken zugewandt und trinkt Scotch. Madame Trismegista mischt ihre Karten und furzt eine teuflische Mischung von Bier- und Zwiebelausdünstungen. Benedictines Freundinnen betrachten ihre mandarinlangen fluoreszierenden Fingernägel oder funkeln ihn böse an. Ihr Schmerz und Stolz sind auch die ihren und vice versa.
„Ich kann diese Pillen nicht nehmen. Ich verliere den Verstand und bekomme Augenschmerzen, und sie bringen meine Regel durcheinander! Das weißt du! Und einen mechanischen Uterus kann ich nicht ab! Außerdem hast du mich belogen! Du hast gesagt, du würdest die Pille nehmen!“
Chib erkennt, daß sie sich selbst widerspricht, aber es ist zwecklos, logisch sein zu wollen. Sie ist wütend, weil sie schwanger ist. Sie will sich zu diesem Zeitpunkt
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