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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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ihn zurück nach Hause.
    Vorsichtig ging er um das Haus herum und spähte durch das Küchenfenster. Seine Mutter war nicht da. Um diese Zeit ging sie immer einkaufen – die einzige Gelegenheit, bei der sie überhaupt das Haus verließ. Voraussichtlich würde sie noch wenigstens zwei Stunden wegbleiben, und Tommy wußte, daß sie niemals die Vordertür abschloß, sehr zum Ärger seines Vaters. Er betrat das Haus, und der Reiz des Unerlaubten ließ ihn erschauern, als wäre er ein Einbrecher. Aber als er erst drinnen war, verflüchtigte sich die angenehme Erregung rasch. Nach fünf Minuten schon war die Faszination des Neuen dahin, und Tommy begriff, daß es auch hier für ihn nichts zu tun gab, nichts, was im Angesicht der nahenden Katastrophe noch Sinn gehabt hätte. Er versuchte zu lesen und fand, daß er es nicht konnte. Er holte sich ein Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank und trank es aus, und dann stand er da mit dem Glas in der Hand und wußte nicht, was er als nächstes tun sollte. Dabei war erst eine Stunde vergangen. Ruhelos wanderte er ein paarmal durch das Haus und kehrte dann ins Wohnzimmer zurück. Es kam ihm nicht in den Sinn, das Radio oder den Fernseher einzuschalten, obwohl ihm auffiel, wie sonderbar – beinahe unheimlich – still es im Hause war, wenn der Fernseher nicht lief. Schließlich setzte er sich auf die Couch und beobachtete die Staubflöckchen, die in der Luft tanzten.
    Um zehn Uhr klingelte das Telefon.
    Tommy fixierte es voller Schrecken. Er wußte, wer da anrief – es war die Schule, die wissen wollte, weshalb er heute nicht zum Unterricht erschienen war. Es war die Maschinerie, die er in Gang gebracht hatte und die jetzt unerbittlich ihren Kurs verfolgte, an dessen Ende sie ihn niederwalzen würde. Das Telefon klingelte elfmal und gab dann auf. Tommy starrte es noch an, als es schon längst verstummt war.
    Eine halbe Stunde später hörte man das Geräusch eines Schlüssels an der Vordertür, und Tommy wußte sogleich, daß es sein Vater war. Im nächsten Augenblick war er lautlos die Treppe zum Dachboden hinauf gerannt, mit der Geschwindigkeit schierer, panischer Angst. Noch ehe der Schlüssel sich im Schloß gedreht hatte, ließ Tommy die Speichertür hinter sich zufallen und lehnte sich schwer atmend dagegen. Er hörte, wie sein Vater fluchte, als er merkte, daß die Tür gar nicht verschlossen gewesen war, und wie er sie wütend ins Schloß fallen ließ. Das Geräusch der Schritte seines Vaters drang von unten herauf, als er in die Küche ging. Tommy hörte, wie er in der Küche umherlief, den Kühlschrank öffnete, Wasser ins Spülbecken laufen ließ. Ob er es schon weiß? dachte Tommy und entschied dann, daß er es wohl nicht wußte. Manchmal kam sein Vater vor dem Mittagessen zurück, um einige Papiere zu holen, die er zu Hause gelassen hatte, und gelegentlich kam er auch vorbei und machte sich eine Tasse Kaffee, wenn er geschäftlich irgendwohin unterwegs war. Würde er die Jacke sehen, die Tommy in der Küche zurückgelassen hatte? Tommy hielt die Luft an, aber dann atmete er weiter – solche Dinge bemerkte sein Vater nicht. Er war in Sicherheit, im Augenblick wenigstens.
    Die Toilettenspülung wurde betätigt. Das Wasserrohr auf dem Speicher neben Tommys Ellbogen begann zu klopfen und gurgelte dann, als unten im Badezimmer der Wasserhahn aufgedreht wurde. Es gurgelte noch eine Weile weiter, als das Wasser unten schon wieder abgedreht worden war, und Tommy bemühte sich angestrengt zu hören, was sein Vater tat. Als das Geräusch aufhörte, konnte er die Schritte seines Vaters wieder hören. Sie wanderten in der Küche umher, durchquerten dann das Wohnzimmer und kamen schließlich die Speichertreppe herauf.
    Diesmal hörte Tommy nicht nur auf zu atmen. Er hörte fast auf zu leben – für einen Augenblick, einen Herzschlag lang, verließ ihn alles Leben und alle Wärme, und er war nichts als eine kalte, hohle Statue. Dann strömte es wieder zurück, ergoß sich in ihn wie heißes Wachs in eine Form, und instinktiv floh er in den hinteren Teil des Dachbodens, um die Ecke in den langen Abschnitt des L-förmigen Speichers. Er lief direkt gegen die entlegenste Wand des Bodens – eine Sackgasse – und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Die Schritte hatten polternd den Rest der Treppe erstiegen und hielten jetzt inne. Man hörte, wie jemand den Türknopf bewegte, und die Tür öffnete und schloß sich wieder. Die nackten Dielen des Dachbodens knarrten – der Vater stand

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