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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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dort, gleich an der Tür, verborgen nur durch den Knick des L. Er tat einen Schritt, noch einen und blieb stehen. Tommys Finger bohrten sich in das Isoliermaterial an der Wand, und das erinnerte ihn daran, daß nicht alle Wände vollständig damit bedeckt waren. Im nächsten Augenblick hastete er quer über den Boden, fast ohne mit den Füßen die Dielen zu berühren.
    Der Speicher hatte zu einem zweiten Stockwerk ausgebaut werden sollen, „für die wachsende Familie“. Sein Vater hatte einen Sommer lang daran gearbeitet, er hatte Balken und Trennwände hochgezogen und Isoliermaterial angebracht, aber er hatte die Arbeit nie zu Ende geführt. Er war dabeigewesen, eine zweite Wand einzuziehen, wobei zwischen dieser und der Außenwand des Hauses ein schmaler Zwischenraum freibleiben sollte, aber dann hatte er das Projekt aufgegeben, und infolgedessen war ein Paneel übriggeblieben, das er nicht mehr eingepaßt hatte. Tommy zwängte sich durch die Öffnung in den dahinter liegenden Zwischenraum und verschwand im selben Augenblick, als die Schritte um die Biegung des L herumkamen. Auf Zehenspitzen schob Tommy sich so weit wie möglich in den Zwischenraum und lauschte den schweren Schritten jenseits der Trennwand.
    Und wenn er es nun nicht ist, dachte Tommy und versuchte, nicht zu schreien. Wenn es nun ein Alien ist. Aber es war sein Vater – nach einer Weile erkannte Tommy seinen Schritt, während er auf dem Speicher umherging, aber das tröstete ihn nicht besonders. Sein Vater besaß die gleiche mörderische Aura wie die Aliens, die gleiche, kalte Gleichgültigkeit gegen das Leben. Tommy fühlte, wie ihr eisiger Hauch durch die Trennwand und durch die Isolierung drang. Es war nicht undenkbar, daß sein Vater ihn in einem seiner kalten, erbitterten Wutanfälle totschlagen würde, wenn er ihn hier auf dem Speicher entdeckte. Schon früher hatte er Tommy gelegentlich besinnungslos geschlagen, blutig geprügelt und einmal auch einen Zahn ausgebrochen. Und jetzt lief er hier auf dem Speicher herum und blieb hin und wieder stehen, und es klang, als ob er alte Bretter aufhob und wieder hinlegte und Wandplatten hin und herschob. Selbst in den Geräuschen, die diese Tätigkeit hervorrief, lag etwas Zielloses, Nutzloses, und sein Vater murmelte dabei mürrisch vor sich hin. Schließlich gab er fluchend auf. Er ließ ein Brett fallen, trat zurück in die Mitte des Dachbodens und blieb beinahe direkt vor Tommys Versteck stehen. Tommy hörte, wie er eine Zigarette aus dem Päckchen nahm, ein Streichholz anriß und heftig inhalierte.
    Plötzlich, völlig unverhofft und in unglaublicher Lebendigkeit, entsann Tommy sich an etwas, das ihm schon seit Jahren nicht mehr in den Sinn gekommen war – wohl die einzige liebevolle Erinnerung an seinen Vater, die er besaß. Es war, als man ihm beibrachte, die Toilette zu benutzen, und wenn es an der Zeit war, trug sein Vater ihn ins Bad, setzte ihn auf das Klo und ließ sich neben ihm auf dem Rand der Badewanne nieder. Während Tommy in gespannter Erwartung dasaß, streckte sein Vater die Hand aus und löschte das Licht, und wenn es völlig finster war, zündete er sich eine Zigarette an und erweckte sie paffend zum Leben, und dann benutzte er die Zigarette wie eine Handpuppe, um Tommy zu unterhalten; er schwenkte sie in glimmenden Bögen durch die Luft, verstellte seine Stimme und ließ sie sprechen. Die Zigarette war ein freundliches, verspieltes kleines Geschöpf gewesen, und Tommy hatte sie innig geliebt – und in diesen Augenblicken waren Vater und Sohn einander so nah wie niemals sonst. Sein Vater ließ die Zigarette tanzen, während er sang und pfiff – sie hatte auch einen Namen gehabt, aber den hatte Tommy längst vergessen –, und dann ließ er sie eine ganze Reihe von endlosen, spaßigen Geschichten erzählen, bis sie heruntergebrannt war. Dann sagte die Zigarette jedesmal zu Tommy, daß sie jetzt nach Hause gehen müsse, aber daß sie zurückkommen werde, wenn Tommy sie wieder brauchte, und Tommy rief „Auf Wiedersehen“, während sie verlosch. Tommy erinnerte sich, wie er scheinbar jahrelang dort im Dunkeln gesessen und völlig hingerissen das glimmende rote Auge der Zigarette beobachtet hatte, wie es rastlos hin und her und auf und niederhuschte.
    Sein Vater zertrat die Zigarette mit dem Absatz und ging hinaus.
    Tommy zählte bis fünfhundert, als die Haustür ins Schloß gefallen war, und dann wand er sich aus seinem Versteck hervor und ging nach unten. Er war

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