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Kopf in der Schlinge

Kopf in der Schlinge

Titel: Kopf in der Schlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Tätowierung oder ein Muttermal... geformt wie der Bug eines Schiffs. Der Fleck hob sich von der sauberen weißen Fläche seiner Haut ab wie ein Brandzeichen. Knisternd zappte sich mein Hirn durch die Möglichkeiten: Narbe, Knutschfleck, Schmutz oder Schorf. Ich hatte eine reichlich lange Leitung. Ich sah noch einmal hin und erkannte schließlich, was es war: eine Verbrennung. Die Verfärbung der Wunde paßte genau zu der Spitze des glühendheißen Bügeleisens, das ich auf ihn gedrückt hatte. Adrenalin rauschte durch meinen Körper. Eine Art Euphorie durchfuhr meine Muskeln und Knochen. Mein Verstand machte einen sonderbaren Sprung zu etwas völlig anderem. Ich hatte darum gerungen, den Code mit Logik und analytischem Denken zu knacken, während die Lösung im Grunde auf räumlichen Verhältnissen beruhte. Vertikal, nicht horizontal. So funktionierten die Zahlen. Die Reihen auf und ab anstatt vor und zurück.
    Ich legte den Revolver auf den Küchentisch. »Ich komme gleich wieder«, sagte ich. Unter Auferbietung all meiner Kräfte raste ich in Toms Arbeitszimmer, eine Hand stets an der Wand, um meinen schwankenden Gang zu stabilisieren. 8, 12, 1, 11 und 26. Ich setzte mich an Toms Schreibtisch und sah auf den Kalender, den er gezeichnet hatte. Ich sah den Monat Februar, achtundzwanzig Tage, von denen der erste auf einen Sonntag fiel und dessen letzte beide Samstage, der einundzwanzigste und der achtundzwanzigste, durchgestrichen waren, womit sechsundzwanzig Zahlen übrigblieben. Ich hatte bereits vermutet, daß der Code simpel wäre. Wenn Tom seine Notizen verschlüsselte, mußte er ein unkompliziertes System besitzen, anhand dessen er Buchstaben in Zahlen umwandelte.
    Ich nahm einen Bleistift zur Hand und betrachtete das Kalenderraster, das er in die Ecke seiner Schreibtischauflage gezeichnet hatte. Ich schrieb die Buchstaben des Alphabets auf, indem ich pro Tag einen Buchstaben notierte, diesmal aber vertikale Reihen benutzte. Falls meine Theorie zutraf, würde der Code bestätigen, was ich bereits wußte: 8 würde für den Buchstaben B stehen. Die Zahl 12 für den Buchstaben R. Die 1 wäre das A, die 11 das N und die 26 das T. B-R-A-N-T.
    Brant.
    Ich merkte, wie ein Lachen in mir aufwallte. Ich saß hier im Haus mit ihm fest. Er hätte ohne weiteres Zugang zu den Notizen seines Vaters gehabt. Die Durchsuchung des Arbeitszimmers und das zerbrochene Fenster — beides waren nur Ablenkungsmanöver gewesen, um uns anderen vorzugaukeln, daß jemand von draußen in der Hoffnung, die Notizen zu finden, ins Haus eingedrungen sei. Es war überhaupt nicht Barrett gewesen. Pinkie hatte Barrett nicht vergewaltigt. Er hatte Brant erniedrigt und gedemütigt.
    »Was machen Sie da?«
    Ich zuckte zusammen. Brant stand in der Tür. Ich hatte vor Schiß die Hosen randvoll. Sein Anblick waberte, schillerte, und das Bild bewegte sich von einer Seite zur anderen. Mir fiel keine Antwort ein. Augenzittern. Etwas in den Brownies, womöglich Phenzyklidin. Aggression, Paranoia. Ich war klüger als er. Oh, viel klüger. Ich war heute klüger als alle anderen.
    »Was schauen Sie da an?«
    »Toms Notizen.«
    »Weshalb?«
    »Ich werde einfach nicht schlau daraus. Der Code.«
    Er starrte mich an. Ich merkte, daß er festzustellen versuchte, ob das stimmte, was ich sagte. Ich versuchte, meinen Verstand klarzubekommen; ich hatte ihn nie zuvor so schlank und jung und hübsch gesehen. So ist der Tod, ein Liebhaber, in dessen Umarmung man ohne Warnung versinkt. Statt Flucht oder Gegenwehr wollüstige Hingabe. Er streckte die Hand aus. »Ich nehme die Notizen.«
    Ich reichte ihm das Notizbuch und stellte mir die Smith & Wes-son vor. Wo hatte ich schon einmal von einer solchen Waffe gehört? Ich konnte mein Hirn knistern spüren, Gedanken hüpften umher wie Maiskörner, die gegen den Deckel eines Popcorn-Topfes knallen. Unter keinen Umständen würde er mir eine Waffe geben, wenn er nicht sehen wollte, wie ich damit getötet wurde. Weder stand Rafer LaMott vor der Tür noch sonst irgend jemand. Das Ganze war eine Farce, mit der ich irgendwie hereingelegt werden sollte. Ich malte mir das Szenario aus — wie wir beide durchs Haus schlichen und scheinbar auf einen Angriff warteten, der nie käme. Brant konnte mich jederzeit erschießen, hinterher behaupten, er hätte mich für einen Einbrecher gehalten, auf Notwehr plädieren und erklären, daß ich bis über beide Ohren zugedröhnt war, was zutraf. Noch während sich der Gedanke formierte, spürte

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