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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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abschütteln und jede einzelne Stunde meiner Existenz selber bestimmen.
    Mein großer Strategieplan, der auf Neckos Leben basierte und den ich in meinen Jugendjahren entworfen hatte, hatte nicht funktioniert. Ich habe im Sport, im Studium und im Aufbau eines Vermögens Herausragendes geleistet, aber die Sucht nach Anhäufung bedeutete, dass ich nach einem Gefühl der Vollständigkeit oder Befriedigung strebte, das ich niemals erreichen konnte. Mein Traum, eine dynamische, nachhaltige und hochprofitable Vermögensmanage­mentgesellschaft aufzubauen, die auch ohne mich prosperieren würde, ist jämmerlich gescheitert. Allerdings war ich darauf vorbereitet gewesen, auf dem Pfad zu finanzieller Macht und Größe alle Fehler dieser Welt zu begehen, auch wenn ich unterwegs das dumpfe Gefühl hatte, dass mich dieser Weg am Ende nicht glücklich machen würde. Vielleicht wusste ich es sogar, aber ich ging ihn trotzdem. In diesem Punkt liegt die eigentliche Tragödie meines manischen Verhaltens.
    Ich betrachtete die Finanzkrise und konnte nicht anders, als in diesem Zusammenbruch die Widerspiegelung meines eigenen Absturzes zu erkennen. Der Kapitalismus nährte sich aus sich selbst heraus, geriet außer Kontrolle und legte alle seine destruktiven Tendenzen offen. Das kapitalistische System erstickt an seinen eigenen Exzessen, korrumpiert von den mächtigen industriellen, medialen, militärischen und finanziellen Kräften. Die Politiker spielten mit, um ihre Macht und ihren persönlichen Gewinn zu maximieren, und schreckten dabei nicht davor zurück, die Wirtschaftsdaten zu manipulieren und die Bilanzen zu fälschen – genau wie Enron. Das Wertesystem begann zu verkommen, wobei die daraus resultierenden Verzerrungen von Exzessen getrieben wurden, für die es keine selbst auferlegten oder externen Schranken gab. Die Ordnungshüter ließen sich kaufen und gründlich korrumpieren. Die Rahmenbedingungen sind so angelegt, dass diejenigen am meisten profitieren, die die Macht und die Mittel besitzen, alles zu manipulieren. Mein eigenes Wertesystem begann irgendwann zu bröckeln, bis es schließlich ganz zusammenbrach. Allerdings kannte ich schon als Kind kaum ein solides Wertesystem. Meine jugendlichen Werte wurden von bourgeoisem Ehrgeiz und Materialismus zerstört. Erst nach dem Absturz erkannte ich, welche Werte dauerhaft und wirklich befriedigend sind.
    Hätte die USA den Goldstandard – das heißt, ihr Wertsystem – nicht abgeschafft, wäre sie heute nicht der größte Schuldner der Welt. Das Wertsystem vor der Großen Depression war auf ähnliche Weise außer Kontrolle geraten und implodierte schließlich. Ob wir über eine Regierung oder ein Individuum sprechen, die gefährliche Besessenheit von Reichtum und schrankenlosem Kapitalismus führt immer zu Exzessen, gefolgt von schweren finanziellen Erschütterungen und einer Repression. »Wie können wir Wachstum, Zufriedenheit, Gesundheit und Wohlstand für alle, und nicht nur für eine kleine Elite schaffen?« und »Hinterlassen wir unseren Kindern und Enkeln einen besseren Ort mit einer besseren Zukunft?« sollten unsere wichtigsten Anliegen sein.
    Meine Mutter sagt mir, ich zahle nun den Preis für das Leben, das ich gewählt habe, und natürlich hat sie recht. Ein halbes Jahrzehnt in Abgeschiedenheit und ohne Familie und Freunde tut weh. In Europa und Panama ist eine hohe Belohnung auf meinen Kopf ausgesetzt und weltweit jagen mich alle möglichen Ganoven.
    Während ich versuchte, immer größere und härtere Schläge abzuwehren, ist mein Fell immer dicker geworden, bis es irgendwann meinen inneren Kern überwuchert und mich beherrscht hat. Ich hatte mich fühlbar von meinem eigenen besseren Ich entfernt. Ich kam bei einem bewaffneten Angriff nur knapp mit dem Leben davon, und nach der Trennung von meiner Seelengefährtin Susan wurde mein Leben zunehmend sinnlos. Mein Arbeitsleben war nichts als eine immer höher werdende Wand aus Frustration und Ärger; meine gesamten Wachstunden verbrachte ich mit bösartigen, feigen Parasiten, die mich ständig von hinten angriffen. Ich wusste, dass sich das nicht ändern würde, solange ich blieb. Weder würde der endlose, mühselige Kampf gegen Schwäche, Mittelmaß und Inkompetenz großer Teile der Belegschaft jemals enden, noch die Notwendigkeit, sich vor der ständigen Zuspitzung der Situation zu schützen. Außerdem gab es wachsende Anzeichen für meine eigene Verkommenheit und meine physische und geistige Degenerierung. Alle

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