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Kopfgeldjagd

Kopfgeldjagd

Titel: Kopfgeldjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Homm
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nicht vor dem Gesetz davongelaufen und tue es auch jetzt nicht. Die Ermittlungen der Börsenaufsicht in London und Frankfurt haben keine strafbaren Handlungen ergeben. Ich habe gehört, dass eine Anklage im Rahmen des RICO Act – ein amerikanisches Bundesgesetz zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens – fallen gelassen wurde. In Kontinentaleuropa gibt es einige rechtliche Probleme, die aber lösbar sind. Ein Flüchtling kann aber auch auf der Flucht vor einer subjektiv empfundenen Bedrohung seiner Freiheit, seines Lebens und seines Vermögens sein. Ein Flüchtling kann auch vor Verantwortung, Konflikten oder vor sich selbst davonlaufen.
    Im Verlauf meiner Karriere bin ich zahllosen Leuten auf die Füße getreten. Ich hatte den Verdacht, dass mich einige der 3.000 ACMH-Kunden möglicherweise verklagen oder mir unangenehme Zeitgenossen auf den Hals hetzen könnten. Die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest einige unserer schwerreichen Kunden ihr Vermögen auf nicht ganz legale Weise erworben hatten und auf Rache sannen, war hoch.
    Ich hatte es geschafft, Gazprom gegen mich aufzubringen. Gazprom ist der größte Energiekonzern der Welt und das Kronjuwel der russischen Wirtschaft und Regierung. Auf der Hedgefondskonferenz der Deutschen Bank in Moskau hatte ich als einer der Hauptreferenten den Konzern öffentlich angegriffen. Anschließend gab ich der Moscow Times ein Interview, in dem ich Gazproms übliche Aktionärspraktiken anprangerte. Die Geschichte wurde in der New York Times gedruckt. Die Wirtschaftswoche stellte daraufhin die Vermutung an, die russische Mafia versuche, mich aus dem Weg zu schaffen. Ich hatte Oligarch Nummer 2 , einen großen Waffenhändler, dem Kontakte zum KGB nachgesagt werden, vor den Kopf gestoßen, indem ich mich im Jahr 2007 nach intensiven Gesprächen in Moskau weigerte, seine Vermögensmanage­mentgesellschaft zu kaufen. Außerdem hatte ich mich nicht nur mit den österreichischen Kumpanen von Oligarch Nummer 1 angelegt, sondern kurz vor meinem plötzlichen Abgang massive Leerverkaufsattacken gegen die großen europäische Holding-Gesellschaften Oerlikon und Sulzer von Oligarch Nummer 1 mitorganisiert.
    Ich hatte mir mit Erich Sixt, dem Chef der gleichnamigen Autovermietung und eines Gebrauchtwagenimperiums, eine heftige und hässliche Schlacht geliefert. Meine Kontakte zu einem berüchtigten deutsch-syrischen Geschäfts­mann waren den Geheimdiensten bekannt, so wie auch meine Zusammenkünfte mit Schimon Peres und meine Kontakte zum israelischen Waffenhersteller Rafael.
    Ich war mir nicht sicher, wie Hakki Simsek, der deutsch-kurdische Eigentümer des Berliner Luxusbordells Artemis reagieren würde, wenn er erfuhr, dass ich seine ehrgeizigen Wachstumspläne nicht länger finanzieren würde. Ich hatte marokkanische Gangster in Mallorca zur Räson gebracht und den Verdacht, dass ein besonders rachsüchtiger Kunde einen Auftragsmörder auf mich angesetzt hatte.
    Ich hatte und habe Feinde. Einige von der schlimmsten Sorte. Mein Leben könnte durchaus in Gefahr sein. Und das waren nur die Feinde, von denen ich wusste. Von unzuverlässigen Quellen erfuhr ich, dass das Gerücht kursierte, es sei eine große Sonderkommission aus FBI und der amerikanischen Börsenaufsicht SEC gebildet worden, um mich anzuklagen und ins Gefängnis zu bringen. Ich sehe meinen plötzlichen Rückzug aus dem öffentlichen und privaten Leben eher als ein notwendiges, selbst auferlegtes Exil. Ich bin nie vollständig untergetaucht, da ich mit einigen früheren Freunden regelmäßig in Kontakt stehe. Ich habe in öffentlichen Gerichtsverhandlungen als Zeuge ausgesagt. Ich habe meine Arbeit als Diplomat fortgesetzt und mich mit mehreren Menschen aus meiner Vergangenheit getroffen. Außerdem hatte ich regelmäßig Kontakt zu ehemaligen Kollegen von ACMH und anderen Geschäftspartnern. Ich habe mich dafür entschieden, ein privates, zurückgezogenes Leben zu führen und mein Vermögen und mich zu schützen. Und ich habe mein Netzwerk von 10.000 auf weniger als zehn Personen verkleinert.
    Der Hauptgrund für dieses Undercover-Dasein war jedoch, dass ich Abstand und das Alleinsein brauchte, um einen Sinn in meinem Leben zu finden. Ich wollte bestimmen, mit wem ich wann, wo und unter welchen Umständen zusammentraf. Ich wollte nicht mehr länger für jeden verfügbar sein, nicht mehr für Journalisten, ehemalige Kollegen und Geschäftspartner, ja nicht einmal mehr für meine Familie. Ich wollte alle Verantwortung

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