Kopfgeldjagd
meine Anker waren verschwunden. Die Mission war gescheitert, und ich war zutiefst desillusioniert.
Peng.
Auf Nimmerwiedersehen, Markt.
*
Abgesehen von dem Wissen, dass ein völliger Bruch mit meiner Vergangenheit unvermeidlich war, hatte ich damals keine Antwort auf die Frage, was ich anders machen könnte. Ich würde experimentieren und tief schürfen müssen, um Lösungen zu finden, und während dieses Prozesses wollte ich möglichst wenig Störung und Ablenkung haben. Ich hatte vergessen, wie man lacht. Ich nahm mich selber viel zu ernst. Ich wollte wieder Spaß haben und Fliegenfischen in Slowenien, auf dem Gardasee segeln, in einer Kolonialvilla in Cartagena de Indias Romane von García Márquez lesen, sechs Stunden im Louvre verbringen, in Belize tauchen, an den Stränden des Médoc joggen, auf der Chinesischen Mauer spazieren gehen, nobel in Maharadscha-Palästen logieren, großartige Burgunder verkosten und in der Toskana wandern, ohne jeden Tag 300 Anrufe zu erhalten. Und ich wollte all das alleine machen. Ich war von mir selber angewidert und von vielen Menschen, die mich umgaben, enttäuscht. Ich hatte keine Energie für andere übrig, nicht einmal für meine Familie.
Es lauerten allerdings echte Gefahren für mein Vermögen, meine Freiheit und auch meine Gesundheit. Ich war mir ziemlich sicher, dass ACMH mich für seine wahrscheinliche Pleite verantwortlich machen würde, anstatt selbst die Verantwortung für die eigenen Schwächen und Fehler zu übernehmen. Angesichts der streitsüchtigen Natur unserer Branche machte ich mir Sorgen, dass die Lügen meines ehemaligen Arbeitgebers zu Gerichtsprozessen, regulatorischen, zivilen und möglicherweise sogar zu strafrechtlichen Verfolgungen führen würden. Ich glaubte, meine Exfrau würde mich unter Einsatz von Privatdetektiven rund um den Globus jagen, nachdem ihre beträchtlichen Aktienanteile an ACMH nach meinem Abgang nur noch ein Almosen wert waren.
Der wahrscheinlich wichtigste Grund für meinen Ausstieg war meine düstere Einschätzung der Marktperspektiven. Alle verlässlichen Indikatoren, denen ich vertraute, signalisierten einen Zusammenbruch der Märkte. ACMH war es nicht gelungen, erstklassige Profis anzuheuern. ACMH brauchte erprobte Geldmacher, die in Bullen- und Bärenmärkten hohe Renditen erzielen konnten, langjährige Erfolgsbilanzen aufwiesen und in der Lage waren, außerhalb der eingefahrenen Gleise zu denken, wie zum Beispiel Kyle Bass von Hayden Capital, der 2008 und 2009 ein Vermögen mit dem Leerverkauf des amerikanischen Immobilien- und Bankensektors verdient hat. Wir brauchten große und radikale Querdenker, die auf Basis ihres überlegenen Wissens herausragende, ungewöhnliche Ideen und Konzepte entwickelten, und kein leeres Maklergeschwätz. Meine Leerverkaufskonzepte im amerikanischen Prime-Hypothekensektor, die ich einige Monate vor meinem Ausstieg entwickelt hatte, wurden von unserem Research-Verantwortlichen, einem soliden, aber fantasielosen Analysten, nicht weiterverfolgt. Im Jahr 2007 führte ich mit einem halben Dutzend hochkompetenter Händler Bewerbungsgespräche. Keiner von ihnen akzeptierte JRs lächerliches Vergütungspaket. Sie forderten ein 200 Millionen Dollar schweres Portfolio und 50 Prozent der Performance Fees. JR bot weniger als die Hälfte. Als Folge konnten wir keinen der dringend benötigten Superstars gewinnen, die ACMH auf die nächste Stufe des Erfolgs hätten heben können. Die meisten unserer Long/Short-Manager waren nichts anderes als glorifizierte Long-Only-Investmentfondsmanager. Die Unternehmensführung war naiv und hatte von Leerverkauf keine Ahnung. Sie hatten noch nie in abwärts tendierenden Märkten Geld verdient. Ich habe meine besten Renditen in chaotischen Märkten erzielt, aber Antonio Porsia und Sascha Wassmer reichten nicht aus, um die Milliarden in unseren Portfolios abzusichern und entsprechend zu vermehren. Man kann einfach nicht erwarten, mit einer Amateurmannschaft die Champions League zu gewinnen. Natürlich war es zum größten Teil mein Fehler, 20 Prozent der Aktiva 2007 in weniger liquiden Wertpapieren zu halten. Hier trage ich eindeutig einen Teil der Schuld. Mindestens 80 Prozent unserer Manager würden jedoch niemals eine schwere Marktkorrektur meistern, von einem größeren Börsendebakel ganz zu schweigen. Ich hatte kein Interesse daran, ohnmächtig die Agonie und den Niedergang des Unternehmens mitzuerleben, weil mir ignorante Führungskräfte und
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