Kopfgeldjagd
schwerwiegendste. HWM verkaufte Aktien, die ich selber hielt, an die Fonds. Angesicht des Preisabschlags auf den Marktpreis in Höhe von 50 Prozent profitierten die Fonds zum Zeitpunkt des Kaufs von diesen Verkäufen. Ich verkaufte Aktien auch mit Verlust. Im Schnitt lag mein Kaufpreis jedoch noch unter dem Preisabschlag von 50 Prozent und ermöglichte mir, aus dem Handel mit den Fonds Gewinn zu erzielen. Ich war Chefinvestor von ACMH und steuerte in dieser Funktion die Investitionen des Unternehmens. Gleichzeitig war ich der größte Anteilseigner an HWM. Natürlich bestand ein Interessenkonflikt. Außerdem habe ich mehrere dämliche Investments getätigt. Es kann allerdings sehr hilfreich sein, beide Seiten der Geschichte zu hören. Meine Gegner lassen immer ein wichtiges Detail aus: Bevor ich das Unternehmen verließ, spendete ich rund 40 Millionen Dollar an liquiden und nicht gesperrten ACMH-Aktien an drei ACMH-Fonds. ACMH hätte diese Aktien ohne Weiteres an die Investoren weiterreichen können. Wäre die Unternehmensführung mit meinem Ausstieg intelligent umgegangen und hätte den Laden gut geführt, anstatt Zuflucht zu zwanghaften Lügen zu suchen und ACMH mit einer miserablen Performance und einer zunehmenden Abwanderung kompetenter Manager gegen die Wand zu fahren, wären diese Aktien heute ein erhebliches Vermögen wert.
Unabhängig von meinen moralischen und rechtlichen Argumenten kann man mein Verhalten als opportunistisch und unethisch bezeichnen. Aber ob es deswegen zivil- oder strafrechtlich den Tatbestand des Betrugs erfüllt, ist ein ganz anderes Thema.
Schließlich waren meine Vorgesetzten über meine Beteiligung an HWM, die Aktienverkäufe an die ACMH-Fonds und meine Überkreuzaktivitäten im Bilde. Indem sie mich nie abmahnten, stimmten sie meinen Handlungen stillschweigend zu. Außerdem hatte ein verstimmter ehemaliger Mitarbeiter, nennen wir ihn DR, zahlreiche Kunden, Regulierer und sogar große Zeitungen in Europa und Amerika über meine Beteiligung an HWM, die Bewertung der Fondsvermögen und die Überkreuztransaktionen informiert. Die Fondsprospekte von ACMH erlaubten den Seniormanagern, Maklergebühren, Investmentbanking-Einnahmen und sogar Kapitalgewinne aus fondsbezogenen Transaktionen zu erzielen. Ich hatte nie ein Dokument unterschrieben, das meine persönlichen Geschäfte beschränkte. Und warum sollte ich auch? Das taten, wenn überhaupt, nur ganz wenige unserer erfahrenen Händler und Manager. Ich war bei ACMH weder für Compliance verantwortlich noch war ich der CEO, Finanz- oder Rechtsvorstand. Alle diese Personen waren umfassend über alle meine Geschäfte informiert. Der CEO und der Finanzvorstand segneten viele unserer HWM-Transaktionen ab. Sie unterschrieben und genehmigten persönlich Überweisungen von ACMH an HWM. Niemand im Verwaltungsrat vertrat meine Interessen. Man konnte von mir nicht erwarten, dass ich mich selber regulierte. Es war die Verantwortung von ACMH und nicht meine, gegenüber seinen Investoren transparent und offen zu sein. Ich habe nie irgendetwas versteckt oder vertuscht. Ich hatte weder eine persönliche E-Mail-Adresse noch ein privates Mobiltelefon. Eine Liste sämtlicher Telefonate und E-Mails stand ACMH jederzeit zur Verfügung. Ich hatte nicht einmal ein eigenes Büro. Mein Schreibtisch stand wenige Meter von zehn anderen Händlern und Analysten entfernt. Alles, was ich sagte oder tat, konnte man hören und sehen. Die Einzigen, die private Büros hatten, waren der CEO, der Finanzvorstand und der Compliance-Manager. Innerhalb von ACMH war ich jederzeit völlig transparent und verantwortlich. Macht mich irgendetwas davon zu einem Berufsbetrüger? Das bezweifle ich sehr. Ich hätte mir allerdings Mäßigung und Schranken auferlegen können. Und ich hätte weniger gierig sein sollen.
Unsere Kunden waren ausnahmslos professionelle, extrem vermögende private oder institutionelle Investoren, die zum großen Teil über eigene Anwälte und erhebliche juristische Ressourcen verfügten. Nur zwei von circa 3.000 Kunden haben mich jemals verklagt. Und diese beiden waren eng miteinander verbunden. Einer von beiden machte es zu seinem Lebensinhalt, Unternehmen und Personen zu verklagen. Was sagt uns das? Wäre ich der dreiste Kriminelle, als der ich gerne dargestellt werde, wäre ich von vielen Hundert Kunden verfolgt worden. Interpol, FBI, BKA und andere Behörden hätten mich schon wenige Wochen nach meinem Ausscheiden weltweit gesucht.
Ich war von Gier und
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