Kopfgeldjagd
ein wirklich merkwürdiges Subjekt. Allerdings stellte sich heraus, dass sie viel zu sehr mit sich selber beschäftigt waren, um sich groß darüber Gedanken zu machen, also sprach ich viel über internationale Kapitalmärkte und ließ die wirklich pikanten und verfänglichen Dinge aus. Was mir ein besseres Gefühl gab, war der Umstand, dass einige der Typen der militärischen Spezialeinheit genauso unkommunikativ waren, was ihre früheren Aktivitäten auf den Philippinen, in Nicaragua und Guatemala betraf. Vielleicht war ich ein skrupelloser, kleiner Gauner, aber wenigstens war ich kein staatlich gedungener Mörder.
Obwohl ich seit meinem ersten Studienjahr am Harvard College einigermaßen über die Gepflogenheiten in Harvard im Bilde war, war ich dennoch nicht auf die gestrengen Regeln der Business School vorbereitet. Anwesenheit im Unterricht war Pflicht, die familiären Todesfälle würden hier also nicht funktionieren. Und Zuspätkommen wurde schwer bestraft. Ich traf am ersten Morgen um 8.25 Uhr im Hörsaal der Sektion A ein, ganze fünf Minuten vor Unterrichtsbeginn, und war auf meine herausragende Pünktlichkeit stolz wie ein Pfau. Als ich den Saal betrat, stellte ich fest, dass alle anderen bereits ihre Plätze eingenommen hatten – wahrscheinlich waren sie schon seit sechs Uhr da. Im gesamten mehrstufigen Hörsaal war nur noch ein einziger Platz frei, der im Allgemeinen für das emsige Bienchen, den arschleckenden Stipendiaten des Baker-Scholar-Programms und Idioten wie mich reserviert war, die nicht wussten, dass die Sitzordnung so funktioniert, dass man ganze zwei Semester den Platz behält, den man am ersten Tag einnimmt. Ich war auf dem Streberplatz gelandet und saß den Professoren so nahe, dass ich förmlich riechen konnte, welche Zahnpasta sie benutzten. Das Problem mit dem Streberplatz ist, dass die Professoren die Aufzeichnungen sehen, die man sich macht, und merken, ob man aufpasst. Ein Nickerchen während des Unterrichts kam damit also nicht in Frage. Man musste die ganze Zeit hellwach wirken. Ich war so fertig, dass ich hätte heulen können. Möglicherweise war das die poetische Gerechtigkeit für meinen jahrelangen Missbrauch des Systems während meines College-Studiums, in dessen Verlauf ich nie mehr als das absolute Minimum getan hatte, um maximale Ergebnisse zu erzielen.
Im dritten Semester gab es jedoch keine feste Sitzordnung mehr. Ich konnte sitzen, wo ich wollte, und ein Wortbeitrag zu Beginn des Unterrichts reichte aus, um die Anforderungen an die mündliche Beteiligung zu erfüllen. So konnte ich mich anschließend mit dem Studium der Fälle für den nächsten Tag beschäftigen, während die Klasse über irgendeine nutzlose Matrix-Management-Struktur diskutierte.
Ich war sehr gut auf Gebieten wie Organisation und Karrieremanagement. Tatsächlich war ich derart engagiert und gut, dass ich bemerkenswerterweise und meinem naturgegebenen rebellischen Wesen zum Trotz offizieller Tutor für mehrere Fächer wurde und von zwei Abteilungen gebeten wurde, darüber nachzudenken, ob ich nicht Assistenzprofessor werden wollte. Ich, der nachlässige Schwänzer oder der idiotische Inselbegabte? Ich musste lachen. Und dann lehnte ich ab, weil die Positionen eine zu geringe stündliche Rendite und zu wenig finanzielle Vorteile boten.
Außerdem war ich Präsident des Investment Clubs und Vizepräsident des Venture Capital Clubs. Ich war dem SPEE Club in der 76 Mount Auburn Street beigetreten. Bobby Kennedy Jr. und der Sohn des amtierenden Präsidenten von Kolumbien waren meine Flurgenossen, was sicherlich eine interessante Konstellation war. Bobby Kennedy Jr. lud mich mehrmals ein, ein Wochenende auf seinem Familienanwesen in Hyannis Port zu verbringen. Aber ich lehnte ab, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt war, Kokspartys für meine Klubkameraden zu schmeißen oder mit meinem alten College-Freund Costi Zombanakis, der die Kennedy School of Government besuchte, heiße Girls von Wellesley, Smith, Mount Holyoke und Harvard College aufzureißen.
*
Kokain ist ungefähr die am meisten suchterzeugende Droge auf dem Planeten. In einem Experiment wurde ein Schimpanse darauf abgerichtet, auf eine Stange in seinem Käfig zu schlagen, damit er eine Dosis Koks bekam. In regelmäßigen Abständen wurde die Zahl der Schläge erhöht, die der Schimpanse machen musste, um sein Koks zu bekommen. Das Experiment wurde abgebrochen, als der Schimpanse für eine einzige Dosis mehr als 12.000 Mal auf die Stange
Weitere Kostenlose Bücher