Kopfgeldjagd
McKinsey oder Fidelity verdienen konnte, um den Faktor drei nach Steuern. Als ich während einer 48-stündigen Koksorgie über dieses Dilemma nachdachte, präsentierte sich die Antwort von alleine. Nach der obligatorischen 18-stündigen regenerativen Tiefschlafphase, in der mein Körper langsam das Koks abbaute, schaffte ich es, die Treppen meines Stadthauses in Cambridge hinunterzukriechen, um ein paar Freunde zu einem späten sonntäglichen Abendessen zu treffen. Ich versuchte zu sprechen, brachte aber nur ein Sabbern zustande und stammelte irgendeinen Schwachsinn. Es schien, als sei mein ganzes Gesicht gelähmt und ich sei dauerhaft sprachbehindert. Es dauerte ungefähr fünf Minuten, bis ich meine Sprachfähigkeit und die uneingeschränkte Kontrolle über meine Gesichtsmuskulatur wiedererlangt hatte. An diesem Tag hörte ich auf zu koksen.
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Nach meinem ersten Jahr an der Business School arbeitete ich bei Bain Consulting in München und London. Zwar waren der Job und die Kollegen intellektuell anregend, aber die Arbeit selbst war für meinen Geschmack nicht praktisch und zupackend genug. Die beiden Fälle, an denen ich in jenem Sommer 1986 arbeitete, waren ein großer Kreditkartenkonzern und ein junger Einzelhandelskonzern. Der erste war eine solide Wachstumsstory auf internationalem Expansionstrip und der zweite kämpfte ums Überleben. Ich verdiente in sechs Wochen satte 20.000 Dollar nach Steuern. Die Teams waren klein und hochmotiviert und bestanden ausnahmslos aus hochintelligenten Yuppies. Ich sammelte eine Menge Daten und zeichnete endlose Grafiken. Es wurde viel Zeit mit radikaler und kreativer Analyse verbracht.
Die großen Tiere, die die Niederlassungen in London und München leiteten, arbeiteten 80 Stunden pro Woche und verdienten ungefähr so viel wie Seniorpartner in erstklassigen Anwaltsfirmen. Unternehmensberatung ist eine risikoarme, einigermaßen gut bezahlte Ratgeberfunktion. Selbst die absoluten Topberater waren auf den Listen der reichsten Amerikaner oder Deutschen solcher Magazine wie Forbes, Fortune oder Manager Magazin nicht zu finden. Die Dealmaker oder die Commission-Broker von Goldman verdienten viel mehr.
Wie in Anwaltsfirmen wurden den Kunden die abrechenbaren Stunden in Rechnung gestellt, was mich völlig nervte. Ich wollte ein großes Stück vom Kuchen. Das hieß Kapitalbeteiligung, einen fetten Anteil an den Gewinnen, irrsinnige Risikokapitalrenditen, irgendetwas, das nach oben unbegrenzt war. Wie sollte ich bei einem derart schwachen Vergütungssystem jemals ein D-Mark-Milliardär werden? Wenn ich Glück hatte, würde ich mit Anfang sechzig gerade so eben einen zweistelligen Millionenbetrag zusammengekratzt haben. Und was noch schlimmer war, ich würde dafür schuften müssen wie ein Sklave und null Spaß haben. Eines Tages würde ich die besten Anwälte und Berater engagieren. Ich war viel zu sehr in Risiko und Abenteuer verliebt, um mich einer derart vorhersagbaren Zunft anzuschließen.
Während meines zweiten Studienjahrs an der Business School arbeitete ich bei Fidelity Investment als Analyst für Schiffsaktien. Diese Art Job neben der monströsen Studienbelastung auszuüben, die MBA-Studenten in Harvard aufgebürdet bekamen, galt als absolut unerhört. Ganz sicher bewegte ich mich damit außerhalb des Systems und verdiente ein wenig Bares, mit dem ich unter anderem die nicht unwesentlichen Studiengebühren bezahlte. Dieses Einkommen sowie das Geld, das ich im Sommer zuvor bei Bain verdient hatte, bedeuteten, dass ich nie meine Seele an irgendein Unternehmen verkaufen musste, das im Austausch dafür, dass ich nach dem Diplom einige Jahre an das Unternehmen gebunden war, die Gebühren übernahm. Ich brauchte auch nie einen Studienkredit. Ich liebe Freiheit und Unabhängigkeit über alles, und das heißt, dass ich es hasse, irgendjemandem auch nur einen Cent zu schulden. Das gilt gleichermaßen für Banken, Familie, Freunde oder die Regierung. Ich verdiente mit mehreren Schiffsaktien ein Vermögen und verließ die Harvard Business School mit einem Stadthaus in Cambridge, einer Wohnung in Manhattan und einer Bargeldreserve, die größer war als je zuvor.
Insgesamt ist die HBS einer der seelenlosesten Orte der Welt. Wie immer gibt es Ausnahmen, aber allgemein gilt, wenn Sie ein besserer Mensch sein, die Welt zu einem besseren Ort machen, Spaß haben und interessante, faszinierende Menschen kennenlernen wollen, dann meiden Sie die HBS wie der Teufel das Weihwasser. Wenn
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