Kopfgeldjagd
Großaufträge über den Bau von Kreuzfahrtschiffen erhalten. Wir befragten Costa Crociere und hatten Glück, weil der Finanzvorstand an jenem Tag in mitteilsamer Laune war. Er hatte keine Ahnung, dass wir einen Leerverkaufsraubzug gegen die Bremer Vulkan planten. Was wir über die Aufträge erfuhren, war unglaublich: Falls die Bremer Vulkan die Schiffe nicht pünktlich und exakt den Spezifikationen entsprechend fertigstellte, würden hohe Vertragsstrafen fällig (eine Millarde D-Mark), die den gesamten Konzern mit Sicherheit in den Bankrott treiben würden. Die Bremer Vulkan besaß eine beeindruckende Militärsparte, die auf den Bau hochmoderner Marineschiffe und entsprechender Technologien spezialisiert war. Im Falle eines Bankrotts würde diese profitable Sparte geopfert werden müssen, um die Forderungen der Gläubiger zu bedienen. Angesichts der Tatsache, dass die italienischen Auftraggeber staatliche Garantien besaßen, würde das Land Bremen einspringen und für alle finanziellen Schäden aufkommen müssen, die die Bremer Vulkan aus eigener Kraft nicht leisten konnte, womit möglicherweise eine Staatskrise ausgelöst würde. Die Italiener waren sicher, dass sich die Bremer Vulkan an dem Bau dieser Hightech-Schiffe verheben und schwere Verluste erleiden würde, aber die Kosten dieser Schiffe waren für Costa Crociere so gering, dass sie bereit waren, unter Umständen auch etwas länger auf die Auslieferung zu warten. Wir hatten eine Shortselling-Goldader gefunden: einen echten Bankrottkandidaten. Viele Hunderttausend Aktien, die 100 D-Mark oder mehr kosteten, konnten in der Zukunft für ein paar Mark zurückgekauft werden, wenn der Konzern pleiteging.
Was ging bloß in den Köpfen der Unternehmensführung vor? Mit einer einzigen fatalen Managemententscheidung, mit der sie sich zum Bau von zwei Schiffen in einem Segment verpflichtete, in dem sie weder Erfahrung noch das nötige Fachwissen besaß, setzte sie die gesamte Unternehmensexistenz aufs Spiel. Das musste schiefgehen und würde den Untergang einer 108 Jahre alten Traditionsreederei sowie den Verlust von mehr als 23.000 Arbeitsplätzen bedeuten. Für die Subunternehmer, von denen viele kein Geld sehen würden, wären die Folgen noch katastrophaler.
Wir drangen noch zwei Ebenen tiefer vor und sprachen mit mehreren Kreuzfahrtreedereien und anderen Schiffsbauunternehmen in Deutschland und Skandinavien. Es herrschte allgemeiner Konsens darüber, dass die Italiener ziemlich clever waren und mit Sicherheit kein Geld verlieren würden, die Bremer Vulkan diese Schiffe aber niemals pünktlich und zu den kalkulierten Kosten würde ausliefern können. Anschließend stellten wir einige flüchtige Untersuchungen der finanziellen Situation des Landes Bremen an, um zu überprüfen, ob die Regierung der Freien Hansestadt eine halbe bis eine Milliarde D-Mark irgendwo herumliegen hatte, die sie der Bremer Vulkan im Notfall in die Hand drücken konnte, um das Überleben des Unternehmens zu sichern. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Bremen in einem totalen Finanzchaos und wäre wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen, den Konzern mit Kapitalspritzen, Notkrediten, einer Kapitalbeteiligung oder einem Debt-Equity-Swap (Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital) zu retten, falls sich das Worst-Case-Szenario bewahrheiten sollte.
Und schließlich heuerten wir Informanten und Detektive an, die uns über den Bau der beiden Schiffe auf dem Laufenden hielten. Niemand in der Schiffsbauindustrie war überrascht, als die Bremer Vulkan den Auftrag gründlich verpatzte. Allerdings hatten die Finanzinvestoren noch keine Ahnung von den Entwicklungen. Die Bremer Vulkan berichtete über ständige Fortschritte und Gewinne, wobei sie ganz offensichtlich frisierte Zahlen präsentierte. Qualitätsprobleme, fehlerhafte Designs, Materialverknappung – all das führte zu gigantischen Budgetüberschreitungen und massiven Verzögerungen. Bei der Bremer Vulkan war es die Norm, Dinge zu vermurksen, und Dinge richtig zu machen, die Ausnahme. Wir liehen uns mehrere Hunderttausend Aktien und verkauften sie zu Preisen zwischen 80 und 100 D-Mark. Zu dem Zeitpunkt hielten meine ehemaligen Kollegen bei Fidelity satte 12 Prozent an der BV und der Templeton Growth Fund fast 20 Prozent. Die Aktien über unseren Prime-Broker 9 zu leihen, um sie weiterzuverkaufen, war überhaupt kein Problem.
Ich wusste zudem, dass die Jungs, die sich beim fidelityinternen Basketballmatch vor Angst die Fingernägel
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