Kopfgeldjagd
erwähnen, dass ich die Belohnung nie sah, obwohl ich hundertprozentig dazu berechtigt war, sie zu kassieren. Ich hätte diesen Idioten verklagen sollen.
Wir entkamen wie die Räuber und kauften die Aktien zu wesentlich niedrigeren Kursen zurück, und zwar noch einige Zeit, bevor das Unternehmen offiziell seinen Bankrott anmeldete. Der richtige Zeitpunkt war immer eine wichtige Überlegung gewesen. Je schneller die Bremer Vulkan zusammenbrach, desto höher unsere annualisierte Rendite. Daher teilten wir jedem, der es hören wollte, unsere Erkenntnisse mit. Wenn Sie entweder in sechs Monaten oder in zwei Jahren 20 Millionen Dollar verdienen und eine Investmentrendite von 200 respektive 50 Prozent erzielen können, wofür würden Sie sich entscheiden? Wäre es nicht vollkommen sinnvoll, zum Telefon zu greifen und einige Aktionäre wie Templeton und Fidelity anzurufen und einige faule Journalisten zu informieren? Ich tat nur, wofür jeder Investmentprofi bezahlt wird: solide, tiefgründige Recherchen. Natürlich war ich wesentlich aktiver. Es war nur logisch, dass ich ordentlich verdienen sollte, während andere ihren Hintern platt saßen.
Wie sich herausstellte, hatte die Bremer Vulkan mehr als 900 Millionen D-Mark Landes- und Bundessubventionen veruntreut, was Zivil- und Strafprozesse nach sich zog. Mehrere Mitglieder der Bremer Establishment schienen in diesen Skandal verwickelt zu sein. Was meinen Sie, was am Ende geschah? Zwei Vorstandsmitglieder erreichten eine außergerichtliche Einigung, und alle anderen gingen straffrei aus.
Die Regulierungsbehörden schießen ständig am Ziel vorbei. Wenn Sie zum Establishment gehören, können Sie echte Verheerungen anrichten und ungeschoren davonkommen. Das Schlimmste, was Ihnen passieren kann, ist eine Verwarnung oder eine milde Strafe. Wenn Sie aber ein unabhängiger Einzelgänger oder eine unabhängige Organisation und Gegner des Establishments sind, fällt bei der geringsten angeblichen Verfehlung das gesamte System, einschließlich der lemminghaften Journalisten, über Sie her.
Die Moral der Geschichte ist einfach: Es ist besser, sich seine eigene gründlich fundierte Meinung zu bilden, als das zu glauben, was die zwanghaften Lügner der Abteilung für Unternehmenspropaganda Ihnen und dem Markt weismachen wollen. Aus diesem Grund sind mindestens 60 Prozent aller Finanzanalysten und Reporter Versager, und aus diesem Grund schaffen es nur ganz wenige Fondsmanager, die Indizes langfristig zu schlagen. Die meisten sind faul, vertrauensselig und unkreativ in ihren Recherchen. Sie sind nicht zu nonkonformistischem Denken in der Lage und machen sich ständig Sorgen über ihre kurzfristige Performance im Vergleich zu irgendeinem bedeutungslosen Index und den Ergebnissen ihrer Berufskollegen, anstatt sich auf absolute Renditen und Verlustbegrenzung zu konzentrieren. Und das Wichtigste: Sie können sich das Undenkbare nicht vorstellen, zum Beispiel den Zahlungsausfall der US-Regierung, Finanzrepression, Nullwachstum, Deflation oder traumatische Hyperinflation. »Bilde dir stets deine eigene Meinung«, wurde nach der Erfahrung mit der Bremer Vulkan zu einer meiner Maximen.
Mit der Technik Competitive Verification lassen sich noch immer hohe Renditen erzielen. Die führenden Fondsgesellschaften wie Fidelity, Jonathan & White und Templeton sind weit davon entfernt, dieses Konzept anzuwenden. Peter Lynch war der erste und einzige meiner Vorgesetzten, der mich ausdrücklich aufforderte, bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Kunden und Wettbewerbern zu sprechen. Seine Aufforderung traf nicht auf taube Ohren. Ich glaube, dass jeder qualitativ hochwertige Unternehmensbericht Kunden, Wettbewerber, Preismacht, Markteintrittsbarrieren und Wettbewerbspositionen analysieren sollte. Warum all diese maßgeblichen Elemente immer noch nicht berücksichtigt werden, verblüfft mich nach wie vor. Zum Teil liegt das sicher daran, dass es zeitaufwendig, teuer, zermürbend und unglamourös ist und man viel schmutzige Wäsche durchwühlen muss.
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Manchmal drohen diese und andere höchst unangenehme Elemente, die Szene zu beherrschen. In solchen Zeiten brauchen Sie eine Schutzschale – ein Schutzschild, der ein grundlegender Teil des Jobs ist und den Sie über viele Jahre gepflegt haben sollten, damit er stets in erstklassigem Zustand ist. Am Harvard College nahm mein enger Freund Steven Larab ein Semester Auszeit und ging nach New York City, um »seinen Horizont zu erweitern«. Er kam aus
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