Kopfueber in die Kissen Roman
außergewöhnlich gut aussah, konnte beispielsweise außergewöhnlich minderbemittelt sein. Tiefes Mitleid durchzuckte sie, dazu eine große Erleichterung. Seine mangelnde Intelligenz würde ihr die kommenden Wochen sehr erleichtern. »Na schön! Ich warte.«
Er fuhr fort, die Auslage zu studieren.
Ihr taten langsam die Arme weh unter dem Gewicht der beiden Taschen. Als sie es nicht mehr aushielt, streckte sie ihm ihre Reisetasche hin. »Würden Sie die wohl für mich nehmen?«
Zweifelnd beäugte er sie. »Sieht ziemlich schwer aus.«
»Ja, das ist sie.«
Ein vages Nicken, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der Auslage zu.
Sie nahm die Reisetasche in die andere Hand. Schließlich konnte sie sie kaum mehr schleppen. »Brauchen Sie vielleicht Hilfe?«
»Och, ich kann schon für mich selbst bezahlen.«
»Das habe ich nicht gemeint. Brauchen Sie Hilfe beim Aussuchen?«
»Also sehen Sie, damit hab ich mir schon beim ersten Mal den ganzen Trouble eingebrockt. Ich hab jemand anders meinen Schlüsselring aussuchen lassen.«
Ihre Schultern brannten höllisch. »Mr. Traveler, jetzt müssen wir aber wirklich weiter, sehen Sie das nicht ein? Vielleicht könnten Sie das ein andermal erledigen?«
»Könnt ich wohl, denk ich. Aber dann wär die Auswahl vielleicht nicht mehr da.«
Ihre Geduld neigte sich dem Ende zu. »Also gut! Dann nehmen Sie doch den mit dem Cowboy drauf.«
»Ach ja? Der gefällt Ihnen?«
Sie zwang sich, ihre Kiefermuskeln zu entspannen. »Ich liebe ihn.«
»Schön! Dann der Cowboy-Ring.« Mit einem hochzufriedenen Gesichtsausdruck marschierte er in den Laden, pausierte dort kurz vor einem Schaukasten voller Teeservice und ließ sich dann unendlich viel Zeit, der hübschen jungen Verkäuferin hinter dem Tresen den Hof zu machen. Schließlich tauchte er mit einem kleinen Päckchen in der Hand wieder auf, das er sogleich in ihre verkrampften Finger drückte. »Hier, da haben Sie ihn.«
»Was soll das?«
Ungehalten blickte er sie an. »Der Schlüsselring! Sie sagten doch, Sie mögen den mit dem Cowboy.«
»Der Schlüsselring war für Sie!«
»Also wieso, um alles in der Welt, sollte ich mir einen Schlüsselring mit’nem Cowboy drauf kaufen, wo ich doch einen wunderbaren Guccianhänger in der Tasche hab?«
Er setzte sich den Gang hinunter in Bewegung, und sie hätte schwören können, dass er dabei »Rule Britannia« vor sich hin pfiff.
Zwanzig Minuten später standen sie in der Parkgarage, und Emma starrte mit blanker Verzweiflung auf seinen Wagen. Es handelte sich um ein großes amerikanisches Luxusvehikel, einen neuen, champagnerfarbenen Cadillac Eldorado. »Also den kann ich mir unmöglich leisten.«
Lässig schloss er den Kofferraum auf. »Wie meinen?«
Die Headmistress war eine exzellente Verwalterin der Finanzen von St. Gert’s, bei ihren eigenen jedoch eine totale Versagerin. Da es ein Heidengeld kostete, das alte Gemäuer in Schuss zu halten, mangelte es stets an Barem, und wenn die Schule dringend einen neuen Kopierer oder ein neues Laborgerät benötigte, pflegte Emma in ihre eigene Tasche zu greifen. Als Folge davon musste sie mit einem äußerst begrenzten Budget auskommen.
Das Ganze war ihr furchtbar peinlich. »Ich fürchte, hier liegt ein Missverständnis vor, Mr. Traveler. Ich verfüge nur über eine limitierte Summe. Als ich Francesca sagte, dass ich meinem Fahrer höchstens fünfzig Dollar pro Tag bezahlen könnte, meinte sie, das würde für Ihre Dienste schon reichen. Aber ein Auto wie das hier - kommt unmöglich in Frage.«
»Fünfzig Dollar pro Tag?«
Sie wollte sich einreden, dass der Jetlag an ihren Kopfschmerzen schuld war, aber mit dem Reisen hatte sie noch nie Probleme
gehabt - vielleicht hing es doch eher mit ihrer wachsenden Frustration zusammen. Dieser herrliche Dummkopf ging ihr allmählich mehr auf die Nerven als ihre schwierigste Schülerin. Nicht nur, dass er sich langsam wie eine Schnecke bewegte, er schien auch keine ihrer Anweisungen in seinen Schädel zu kriegen. Zum Beispiel nach dem Vorfall mit dem Schlüsselring hatte sie ewig gebraucht, bis sie ihn endlich zur Gepäckausgabe geschleppt hatte.
»Also, das ist mir wirklich unangenehm. Ich dachte, Francesca hätte alles mit Ihnen abgesprochen. Sie erwarten mehr als fünfzig, nicht wahr?«
Scheinbar mühelos hievte er ihre beiden schweren Koffer ins Auto, was überraschte, da er gerade noch so getan hatte, als würden dieselben Stücke eine ernstliche Bedrohung für sein Knochengerüst
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