KORNAPFELGRUEN
einen Versuch wert.
„Darf ich Sie etwas fragen?“
„Aber immer, junge Frau! Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir!“ – Er machte eine einladende Handbewegung, der Camilla gerne folgte.
„Hören Sie“, begann sie vorsichtig, „es mag vielleicht merkwürdig klingen, aber lassen Sie sich davon bitte nicht abschrecken. Ich bin auf der Suche nach einem besonderen Mann. Einem, der die Bezeichnung Womanizer wirklich verdient. Wie würden Sie persönlich einen solchen Mann beschreiben, würde man Sie darum bitten?“
Einen Moment lang befürchtete Camilla, der alte Herr würde nicht einmal wissen, was das Wort WOMANIZER bedeuten mochte. Vielleicht würde er sie aber auch gleich wild beschimpfen, ihr vorwerfen, sie verunglimpfe die deutsche Sprache, indem sie einen englischen Ausdruck benutze.
„Das ist so einer, der die Frauen wirklich liebt“, sagte er jedoch ohne großes Nachdenken und hörbar überzeugt.
Er schien auch nicht im Mindesten überrascht zu sein von Camillas Frage.
„Ihr Frauen spürt so etwas nämlich instinktiv!“
Vergnügt schmunzelnd strich er sich über den Schnurrbart. „Deshalb fühlt ihr euch sofort wohl mit so einem. Ihr könnt ihm auch nicht lange böse sein, selbst wenn er euch manchmal verletzt. Er macht das ja nie mit böser Absicht, er hat nun mal einfach ein großes Herz, und es tut ihm auch immer Leid hinterher. Er muss dabei gar nicht besonders gut aussehen. Nur diese ganz bestimmte Art muss er eben an sich haben.“
„Ja, ich glaube, ich verstehe“, sagte Camilla langsam und erhob sich von der Parkbank, „vielen Dank für den Tipp. Das hilft mir schon wieder ein Stückchen weiter.“
„Och“ - Camillas Gesprächspartner wirkte enttäuscht.
„Das war schon alles? Dabei könnte ich Ihnen noch so vieles über das Thema erzählen. Ich war nämlich auch mal einer von der Sorte, müssen Sie wissen.“
Sie musste lachen, obwohl sie ihn keineswegs verletzen wollte.
„Vielleicht ein anderes Mal. Sind Sie denn öfter hier im Park?“
Er nickte. „Jeden Tag, junge Frau, jeden Tag. Ich heiße übrigens Friedrich. Meine Freunde nennen mich allerdings immer noch Fritzi, wie damals in der Schule.“
Sie reichte ihm die Hand zum Abschied. „Mein Name ist Camilla. Ich werde Sie also sicher in nächster Zeit öfter mal hier sehen. Dann höre ich mir gerne Ihre Geschichte an, Friedrich.“
Er schmunzelte, während er ihre Hand ergriff und drückte und dabei das rechte Auge zukniff: „Fritzi!“
„Fritzi!“ Sie erwiderte den Händedruck.
Im Weggehen drehte sie sich noch einmal um und winkte ihm zu. Er winkte lächelnd zurück.
„Schöne Beine haben Sie aber auch, Donnerwetter!“ rief er ihr hinterher. „Sind Sie eigentlich Journalistin?“
Camilla tat so, als habe sie seine letzten Bemerkungen nicht mehr gehört.
Dabei konnte sie nicht anders, sie musste schon wieder leise lachen.
Morgen würde sie wiederkommen und Fritzi fotografieren. Das musste einfach sein. Fritzi, den Möchtegern-Womanizer alter Schule.
Heute spürte sie einfach keinerlei Energie mehr zum Arbeiten in sich, aber Fritzi würde ihr schon nicht entwischen.
Wenn er auch eher ein Womanizer im Ruhestand zu sein schien, so mochte seine Lebensgeschichte ihr doch weiterhelfen bei der Jagd nach dem einen, dem besonderen – dem Frauenliebling schlechthin!
Einem, der die Frauen liebte!
Richard war natürlich nicht zu Hause, als Camilla heimkam. Sie hatte nichts anderes erwartet und war insgeheim sogar froh darüber, noch ein bisschen alleine sein zu können. Und Zeit zum Nachdenken zu haben.
Richard konnte überhaupt dem Himmel dafür danken, eine Frau zu haben, die sich wunderbar mit sich selbst und ihren eigenen Aufgabenstellungen zu beschäftigen wusste.
Die eigene Ideen und Kreativität entwickelte und damit zufrieden und glücklich war.
Jede andere wäre ihm nämlich längst davongelaufen oder hätte ihm zumindest die Hölle heiß gemacht.
Ob ihm das überhaupt bewusst war?
Vermutlich nicht!
Richard war so verdammt jung gewesen, als sie beide sich kennenlernten. Gerade mal 21.
Camilla selbst war auch nur um zwei Jahre älter gewesen, hatte aber zumindest über mehr und tiefere Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht verfügt als Richard.
Er hatte sich nie groß Gedanken darüber gemacht, was eine sogenannte Beziehungskrise oder allgemeine und andere Partnerschaftsprobleme bedeuten mochten.
Es war eigentlich immer alles reibungslos gelaufen zwischen ihnen. Zu reibungslos
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