Korona
ignorieren.
»Einen Kuss nur«, gurrte sie. »Ich weiß doch, dass du das willst. Du hast das doch schon immer gewollt, habe ich recht? Na komm, das ist vielleicht die letzte Gelegenheit.«
William warf einen genervten Blick nach hinten. »Was soll das werden, Hazel? Darf ich dich daran erinnern, dass du immer noch mein Mädchen bist?« Er drückte ihr die Flasche in die Hand. »Hier. Und jetzt bleib hinten und lass Matt in Ruhe. Du bist ja betrunken.«
»Na und?«, gab Hazel schnippisch zurück. »Mit wem ich flirte, ist immer noch meine Angelegenheit.«
»Augen auf die Straße!«
Matthew sah den Pfeiler aus der Dunkelheit hervorschnellen. Wie der Bug eines Schiffes raste er auf sie zu.
William stieß einen Fluch aus und trat auf die Bremse. Das Heck brach aus. Es war, als würde das Auto auf Schmierseife fahren. »Runter von der Bremse«, schrie Matt. Sie würden an dem Pfeiler zerschellen, wenn nicht schnell etwas geschah. Mit einer Reaktion, die einem Kampfpiloten zur Ehre gereicht hätte, griff er in das Lenkrad.
»Was soll das?« William setzte seinen Bemühungen einigen Widerstand entgegen.
»Gegenlenken«, schrie Matt. »Du musst gegenlenken!«
Wie durch ein Wunder gelang es ihm, das Lenkrad herumzuziehen. Als William merkte, dass die Schlingerbewegung tatsächlich aufhörte, löste er seinen Griff. Um Haaresbreite sauste der Brückenpfeiler an dem Jaguar vorbei und schlug dabei den rechten Außenspiegel ab. Krachend trennte er auch noch die hintere Stoßstange ab, die funkenschlagend auf der Straße landete.
Matt atmete auf. Sie waren vorbei. Sie waren dem schrecklichen Pfeiler entkommen. Doch die Gefahr war noch nicht vorüber, der Wagen war immer noch viel zu schnell. Das merkte auch Will und tat das Verkehrteste, was man tun konnte. Er trat erneut auf die Bremse.
Hart.
»Nein!«, schrie Matt.
Der Wagen brach ein zweites Mal aus, diesmal unhaltbar. Wie ein chromglänzendes Geschoss verließ er die Fahrbahn, raste über die Böschung und hinein in ein Waldstück. Matthew sah die meterdicken Baumstämme heransausen und bereitete sich auf den Aufprall vor. Er stemmte die Beine gegen das Bodenblech, verschränkte die Arme vor dem Kopf, beugte sich vor und murmelte ein Stoßgebet.
Wie ein Blitz schoss ihm ins Bewusstsein, dass keiner von ihnen angeschnallt war.
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Teil 1
Der Fremde
1
Kampala, heute …
A my trat fluchend auf die Bremse. Die Räder ihres Toyota Landcruiser blockierten. Es gab ein Quietschen, dann stand der Wagen.
Sie brauchte einen Moment zum Luftholen, dann hämmerte sie wütend auf die Hupe. Vor ihr kreuzte eine merkwürdige Karawane die Straße: vier abgemagerte Ankolerinder und ein krummer alter Mann mit einem seltsamen Strohhut auf dem Kopf. Ungeachtet der schlechten Wetterverhältnisse und der klatschnassen Fahrbahn trieb er seine Tiere langsam über den Asphalt. Mit einem Gleichmut, der schon an Ignoranz grenzte, wackelte er hinter seinen Langhornrindern her, nuckelte an seiner schwarzen Wurzelpfeife und hielt den Blick auf den Schwanz des letzten Tieres gerichtet. Amy fragte sich, ob er überhaupt mitbekommen hatte, dass er beinahe überfahren worden wäre.
Sie blies eine Strähne ihres pechschwarzen Haares aus dem Gesicht, dann trat sie vorsichtig wieder aufs Gaspedal. In einem großen Bogen umrundete sie das seltsame Gespann. Vermutlich kreuzte der alte Mann die Straße an genau dieser Stelle schon seit vielen Jahren. Für Autos schien er kein Interesse zu haben. Vielleicht hielt er sie für eine vorübergehende Erscheinung, für eine Art schlechter Angewohnheit, die irgendwann von ganz allein wieder verschwinden würde. Eine solche Haltung wäre für diesen Teil Afrikas nicht ungewöhnlich. Die Menschen auf dem Lande lebten in einer eigenen Zeitrechnung. Sie interessierten sich nicht für Technik und Fortschritt. »Zivilisation« war ihnen gleichgültig. Solange etwas ihr eigenes Umfeld nicht unmittelbar betraf, existierte es nicht. Diese merkwürdige Sicht der Dinge war dort besonders augenfällig, wo die Landbevölkerung von den immer schneller wuchernden Außenbezirken der Hauptstadt Kampala überrollt wurde. Plötzlich waren die Menschen eingekesselt von Straßen und Baracken, wo vorher noch Büsche, Bäume und Weideland gewesen waren. Und wunderten sich, was aus der Welt geworden war, die sie einmal gekannt hatten.
Kopfschüttelnd richtete Amy ihre Gedanken wieder auf die Straße. Das Erlebnis mit dem alten Mann erinnerte sie daran, dass sie jetzt, da
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