Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Korridore der Zeit

Korridore der Zeit

Titel: Korridore der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
Vom Netzwerk:
gehofft hatte. Der große Raum war leer. Er schlüpfte durch den Vorhang. Der Todeskampf Branns erschütterte ihn. Er schob den Diaglossa in sein Ohr, beugte sich zu Brann herab und sagte: »Ich werde dich sterben lassen, wenn du es willst.«
    »Bitte«, erwiderte die Stimme einer Mumie.
    Lockridge riß die Kabel und Röhren heraus, die mit Branns Körper verbunden waren. Nur wenige Tropfen Blut flossen aus den Öffnungen.
    »Es wird nicht lange dauern«, sagte Lockridge und legte Brann die Hand auf die Stirn. »Bleib ruhig liegen. Das Ende ist nahe.«
    Im Laufschritt verließ er das Langhaus. Der Kampf schien sich zum Teil in die Ortschaft zu verlagern. Er hörte das Zischen einer Energiepistole. Er lief auf den Vorplatz, an dessen gegenüberliegender Seite Hu erschien.
    »Koriach!« rief der Warden mit heiserer Stimme. »Koriach, wo bist du?« Die Pistole, die zwischen den Hütten sprühte, war also nicht die Hus. Lockridge erkannte, daß er weder fliehen, noch ins Langhaus zurückkehren konnte, ohne gesehen zu werden. Mit einem gewaltigen Satz schnellte er sich vor.
    Hu sah ihn und schrie auf. Lockridge prallte auf die grüngekleidete Gestalt. Der Anprall warf beide zu Boden, und der Kampf um die Waffe begann. Lockridge konnte Hus Griff um den Kolben nicht brechen. Er warf sich auf den Rücken des Wardens. Mit einer Beinschere verankerte er sich, führte einen Arm um den Hals seines Feindes und bog dessen Kopf zurück. Durch das Geräusch des Kampfes hörte er das trockene Schnappen, als das Genick brach. Lockridge raffte sich auf und entwand der reglosen Gestalt die Pistole.
    Eine Sekunde war er versucht, nach Storm zu suchen, nun, da er ebenso wie sie bewaffnet war. Aber es war zu riskant. Einer ihrer Yuthoaz konnte ihm in aller Ruhe den Schädel einschlagen, während er durch ihren Energieschild in Schach gehalten wurde. Was sollte dann aus Auri werden? Er schuldete ihr und der Handvoll ihrer Angehörigen sein Leben.
    Im Laufschritt näherte er sich dem Rand des Wassers. Er erkannte ein großes Boot mit seiner dunklen Haut aus Fellen, das wie ein Schatten auf der Gischt tanzte. Auri wartete am Ufer auf ihn. Sie lief ihm mit Tränen in den Augen entgegen. Er umarmte sie schnell, dann wateten sie hinaus und stiegen in das Boot.
    »Wohin segeln wir?« fragte der Sohn Echegons.
    Lockridge blickte zurück. In dunklem Umriß hoben sich die Häuser aus dem Nebel, Männer und Pferde bewegten sich als flüchtige Schatten zwischen ihnen. Lebwohl, Avildaro, dachte Lockridge. Gott stehe dir bei.
    »Iril Varay«, sagte er: England.
    Sie umrundeten das westliche Vorgebirge, und Avildaro entschwand ihrem Blick. Bevor die Nacht hereinbrach, entdeckten sie die Flotte der Angreifer. Es war ein Wunder, daß diese Wikinger der Bronzezeit sich noch nicht auf heilloser Flucht befanden. Storm und Hu hatten sich natürlich getrennt, um möglichst viele der verwirrten und in alle Winde verstreuten Yuthoaz um ihre Strahlenpistolen zu sammeln. Aus irgendeinem Grunde mußte Hu dann seinen eigenen Weg gegangen sein. Selbst so mußte Storm sich allein – nun, das lag hinter ihm.
    Wirklich? Sie würde nicht ruhen, bis sie ihn gefunden und vernichtet hatte. Wenn es ihm gelang, in sein eigenes Jahrhundert zurückzukehren ... nein, dort würde sie sicher eher seine Spur finden als in der weiten und einsamen Welt des Steinzeitalters. Außerdem hatte er die Verantwortung für dieses Boot voller Fremder übernommen, die er nicht im Stich lassen durfte.
    Er begann zu zweifeln, ob seine Wahl England gut war. Er wußte, daß andere Menschen dieser Zeit aus Dänemark dorthin flohen. Er konnte sich ihnen anschließen und bis an das Ende seiner Tage in Furcht leben. Ein solches Leben konnte er Auri nicht anbieten.
    Dann wußte er, was er zu tun hatte. Er saß so lange reglos, daß Auri von Angst gepackt wurde. »Geht es dir nicht gut?« fragte sie.
    »Doch«, sagte er und küßte sie.
    Nur langsam kamen die Flüchtlinge während der Nacht voran, aber jedes Eintauchen der Paddel war ein Schritt weiter auf dem Weg zum Sieg. Als der Morgen zu dämmern begann, wichen sie auf die Marschen aus, versteckten sich, um sich auszuruhen. Später jagten und angelten die Männer und füllten die Wasserschläuche. Ein scharfer Wind aus Nordost vertrieb den Nebel, in der Nacht war die Sicht bei klarem Sternenhimmel gut. Lockridge hatte den Mast aufrichten und die Segel setzen lassen. Am Morgen waren sie auf hoher See.
    Es war eine kalte, enge und gefährliche Fahrt.

Weitere Kostenlose Bücher