Korridore der Zeit
zurückkamst. Nun weiß ich nicht mehr, was du bist. Was ich auch tue, kann das Ende bedeuten. Oder Erfolg, wer kann es sagen? Ich weiß nur, daß du das Schicksal verkörperst, und daß ich dich so gern retten möchte. Läßt du es mich tun?«
Lockridge blickte in die Augen, die Qual widerspiegelten, und sagte voller Mitleid: »Sie hatten recht in der fernen Zukunft. Bestimmung macht uns zu Sklaven. Du bist zu gut dafür, Storm. Oder nein – nicht gut; auch nicht böse, vielleicht überhaupt nichts Menschliches, aber es ist nicht recht, daß dir dieses widerfährt.«
Sah er Tränen durch den Regen? Er war nicht sicher. Ihre Stimme zumindest war fest: »Wenn ich beschließe, daß du sterben mußt, so wird es schnell durch meine eigene Hand geschehen; und du wirst mit allen Ehren eines Kriegers im Dolmen am Tor deine letzte Ruhestätte finden. Aber ich bete, daß es nicht dazukommt.«
Er kämpfte gegen eine Zauberkraft, die älter und stärker als alle Kräfte war, die ihre verzerrte Welt ihr gegeben hatte, und sagte: »Kann ich, während ich warten muß, Lebewohl und ein paar Worte zu einigen Freunden sagen?«
Ärger zeigte sich in ihrer Miene. Sie stampfte den Stab in den aufgeweichten Boden und schrie: »Auri? Nein! Du kannst Auri morgen drüben im Lager verheiratet sehen. Danach werde ich mich wieder mit dir unterhalten, um zu sehen, ob du wirklich der unverbesserliche Idiot bist, als der du dich gibst.«
Sie wandte sich ab, ihr Gewand wirbelte, sie ging davon.
Ihre Eskorte folgte ihr. Withukar blieb zurück. Ein Wachtposten versuchte ihn aufzuhalten. Withukar schob den Mann beiseite, trat an den Eingang und streckte die Hand aus.
»Du bist immer noch mein Bruder, Malcolm«, sagte er rauh. »Ich werde bei ihr ein Wort für dich einlegen.«
Lockridge nahm die Hand. »Danke«, murmelte er. Er spürte einen Kloß im Hals. »Du kannst das eine für mich tun. Sei gut zu Auri. Sorge dafür, daß sie eine freie Frau bleibt. Wirst du es tun?«
»Bestimmt, soweit ich dazu in der Lage bin. Wir werden einen Sohn nach dir benennen und an deinem Grabe opfern, wenn es dazu kommen sollte. Aber ich hoffe es nicht. Viel Glück, mein Freund.« Mit diesen Worten ließ Withukar ihn allein.
Lockridge kauerte sich auf die Lagerstätte und blickte in den Regen hinaus. Gegen Mittag hörte es auf zu gießen, aber die Sonne brach nicht durch. Statt dessen stieg Nebel auf, und es dauerte nicht lange, bis die Welt jenseits des Eingangs eine wabernde, graue, formlose Masse war. Hin und wieder hörte Lockridge eine Stimme rufen, ein Pferd wieherte, aber die Laute kamen gedämpft und wie aus weiter Ferne, als hätte sich das Leben von ihm zurückgezogen. So kalt und feucht war die Luft, daß er schließlich wieder unter seine Decke kroch Müdigkeit übermannte ihn, und er schlief ein.
Seine Träume waren seltsam. Als er langsam aus ihnen erwachte, wußte er nicht, daß er es tat. Wirklichkeit und Unwirklichkeit verwoben sich ineinander, er trieb schiffbrüchig auf einem dunklen Ozean, Auri jagte vorüber und rief den Namen seiner Mutter, ein Horn blies den Hunden zum Sammeln, er sank in grüne Tiefen und hörte, wie Eisen geschmiedet wurde, er kämpfte sich dorthin zurück, wo das Licht schien, Donner umdröhnte ihn – und die Hütte war von Dunkelheit erfüllt, Zwielicht sickerte durch den Nebel, Männer schrien, und Waffen klirrten ...
Kein Traum!
Er taumelte von seinem Lager zum Eingang, rüttelte an den Stäben und rief: »Was ist los? Laßt mich heraus! Verdammt, laß mich heraus, Storm!«
Trommeln dröhnten im Grau. Eine Yuthostimme brüllte, Hufe donnerten vorüber, Räder holperten und Achsen kreischten. In einer andern Richtung sammelten sich Männer. Von weitem schrie eine Frau, das Poltern von Steinen übertönte ihre Stimme. Er hörte Metall klirren, vernahm das Zischen eines Pfeiles.
Gestalten bewegten sich, undeutlich in der nebligen Dämmerung als seine Posten zu erkennen. »Ein Angriff von der Küste«, erklärte der Wachtruppführer ihm kurz.
»Warum warten wir, Hrano?« kreischte ein anderer. »Unser Platz ist da, wo gekämpft wird.«
»Bleibt, wo ihr seid! Unser Platz ist hier, bis sie es anders befiehlt.« Schritte eilten vorüber. »He, du, wer hat uns überfallen? Wie steht die Schlacht?«
»Männer vom Wasser«, keuchte die unsichtbare Gestalt. »Sie kommen geradewegs auf unser Lager zu. Folgt euren Standarten. Ich muß zu meinem Häuptling eilen.«
Einer der Wächter stieß einen Fluch aus und
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