Korsar und Kavalier
gekrochen, um von dort die Pistole zu holen. Tristan sah, dass sie kreidebleich war, und die Waffe zitterte in ihrer ausgestreckten Hand.
Der Räuber legte die Hand auf sein Hemd. Als er sie wieder wegzog, sah sie im Mondlicht schwarz aus. „Mon dieu“, sagte er mit merkwürdig abgehobener Stimme. „Ich glaube, Sie haben mich umgebracht.“
Damit fiel er auf die Knie, und das Rapier fiel zu Boden. Ein schwaches Lachen kam ihm über die Lippen. „Unsere letzte Fahrt. Wir dachten, es würde ...“ Er stockte, schloss die Augen und sank zu Boden.
Im selben Augenblick gaben auch Tristans Knie nach, und er fiel neben den Mann. Im nächsten Moment war Prudence an seiner Seite. Sie warf die Pistole weg und streckte die Hand nach ihm aus. „O Tristan, kannst du ...“
Der Reiter kam heran. Nur dass es weder MacGrady noch Toggle, noch Stevens war, der ihnen zu Hilfe eilte. Es war Reeves. Er stieg ab, warf dem Kutscher die Zügel zu und lief zu ihnen, hielt unterwegs nur kurz inne, um von der Karosse die Kutschlampe abzunehmen.
Doch statt an Tristans Seite zu eilen, ging er zu dem Räuber und kniete neben ihm nieder. Er presste die Finger an die Kehle des Mannes. „Er atmet noch. Gott sei Dank!“ Tristan ließ sich von Prudence auf die Beine helfen und von ihren warmen Händen aufrecht halten. Er schloss sie fest in die Arme und drückte sie eng an sich. Gott, beinah hätte er sie verloren! Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ...
Der Räuber stöhnte leise. Reeves wickelte sich den Schal vom Hals und presste ihn auf die Wunde des Mannes. „Er wird es überleben“, erklärte der Butler. In seiner Stimme lag eindeutig Erleichterung. „Die Wunde ist nicht tief, aber sie muss gesäubert werden.“
„Ich säubere ganz bestimmt nicht die Wunden eines Mannes, der uns alle ermorden wollte! “
Reeves warf Tristan einen scharfen Blick zu. „Er hat nicht versucht, Sie zu ermorden, nur zu verwunden.“
„Es schien ihm aber ziemlich ernst damit“, meinte Prudence.
„Aye“, fügte Tristan mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme hinzu. „Es hat sich zumindest so angefühlt, als wollte er mich ermorden.“
Reeves band seinen Schal fest. „Er hat noch nie jemanden getötet. Während seiner ganzen Laufbahn als Straßenräuber hat er noch keinen einzigen Mord begangen, obwohl sich ihm jede Menge Gelegenheiten boten.“
Der Räuber regte sich und hob die Hand an den Kopf. „Was, zum Teufel, ist passiert?“
Reeves beugte sich über ihn. „Sie wurden verletzt. Bleiben Sie nur still liegen, ich bringe Sie zum Cottage.“
„Zu meinem Cottage?“, fragte Tristan mit finsterer Miene. Was, zum Teufel, focht Reeves nur an? „Kommt ja nicht infrage ..."
Der Räuber stützte sich auf einen Ellbogen und presste die Hand an seine Seite. „Reeves?“
Prudence, die sich immer noch an Tristan schmiegte, zuckte zusammen. Mit großen Augen sah sie zu Tristan auf. „Er kennt Reeves?“
Stirnrunzelnd betrachtete Tristan den Straßenräuber. „Woher kennen Sie Reeves?“
Reeves war mit der Versorgung des Verwundeten fertig und stand auf, wobei er die Lampe hochhob. „Das ist ganz einfach, Mylord. Ich habe ihn letzte Woche besucht.“
„Sie haben einen Straßenräuber besucht?Warum denn ..." Tristan sah sich den Straßenräuber näher an. „Nein. Das ... das kann doch nicht sein. “
Der Mann rang sich ein schwaches Lächeln ab. Seine Lippen waren unter der Maske kaum zu erkennen.
Tristan beugte sich zu dem Mann hinunter, mit schmerzverzerrtem Gesicht, weil sein Bein Einwände erhob, und zog seinem Gegner die Maske vom Kopf.
Reeves hob die Lampe. Licht fiel auf das Gesicht des Räubers. Dunkles Haar fiel ihm in die Stirn, und seine Augen schimmerten in einem harten, hellen Grün. „Ich kann es nicht fassen“, sagte Tristan. „Christian?“
18. KAPITEL
Um ein Krawattentuch richtig zu stärken, muss man das Leinentuch mit der glatten Seite nach unten auf einen Marmortisch legen. Hitze ist natürlich das entscheidende Element. Ohne Hitze wäre das Ganze nur ein feuchter, zerknitterter Haufen.
Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
Reeves nahm Prudence am Arm und führte sie zur Seite. „Das ist der verlorene Bruder Seiner Lordschaft.“ Staunend sah Prudence ihn an. „Er ist ... er war ein Straßenräuber!“
„Ja, eine gefährliche Laufbahn, von der wir nur hoffen können, dass er sie aufgibt.“
Prudence nickte abwesend. Sie schien es einfach nicht fassen
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