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Korsar und Kavalier

Titel: Korsar und Kavalier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Hawkins
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Tür zuzuknallen - es hätte ihr durchaus Genugtuung verschafft. Doch sie wollte sich ihrem bloßen Ärger nicht hingeben: Das unverschämte Benehmen des Captains verlangte nach einem weitaus subtileren und raffinierteren Vorgehen. Sie musste einen großartigen Plan aushecken, der ihn ein für alle Mal vernichtete.
    Die Vorstellung besänftigte sie ein wenig. Sie hängte den Mantel über den Haken und rang sich ein Lächeln ab. „Und wie war dein Vormittag, Mutter?“ Prudence ging an ihrer Mutter vorbei und betrat den Salon. „Hast du den Riss im Kleid fertig ... “
    Der Mann, der in der Mitte des Raums stand, wandte sich um. Er war mittelgroß, hatte braunes Haar und blaue Augen und wirkte auf stille Art attraktiv.
    Widerstrebend sank Prudence in einen Knicks. „Dr. Bar-row. Was für eine nette Überraschung.“ Sie warf ihrer Mutter einen scharfen Blick zu. Mrs. Crumpton errötete, behielt ihre unschuldige Miene aber hartnäckig bei.
    „Mrs. Thistlewaite“, erklärte der Arzt und schluckte geräuschvoll. „W...wie nett, Sie zu sehen. Ich bin nur kurz vorbeigekommen, um Sie, ähm ... ich wollte fragen, ob ... also, ich habe mich gefragt ..." Er warf Mrs. Crumpton einen aufgewühlten Blick zu.
    „Prudence“, begann ihre Mutter ein wenig zu munter. „Dr. Barrow möchte sich erkundigen, ob du Zeit hättest, mit ihm in seiner neuen Kutsche auszufahren.“
    Das Letzte, was Prudence wollte, war, mit einem Mann auszufahren, der keine zwei Sätze artikulieren konnte, ohne zu erröten. Dr. Barrow war zwar ein sehr freundlicher, sanfter Mann, doch empfand sie bei ihm längst nicht die tiefe Verbundenheit, die sie mit Phillip geteilt hatte.
    Phillip. Sie sah auf ihre verschränkten Hände. Auch jetzt noch vermisste sie ihren Ehemann, drei volle Jahre nach seinem Tod. Nicht mehr so stark wie früher - es hatte Wochen, sogar Monate gegeben, in denen sie sich gefragt hatte, ob sie je wieder lächeln würde. Natürlich hatte sie wieder damit angefangen. Es hatte einfach eine gewisse Zeit gebraucht. Sehr viel Zeit. Doch jetzt konnte sie sogar an Phillip denken und sich über die Zeit freuen, die sie mit ihm hatte verbringen dürfen.
    Binnen sechs atemlosen Monaten hatten sie sich kennengelernt und einander geheiratet. Sie war damals erst achtzehn gewesen und Phillip nicht viel älter, sie waren also gewissermaßen miteinander erwachsen geworden. Vielleicht war das die Grundlage ihrer Freundschaft, ihrer Liebe. Was es auch gewesen war, sie vermisste diese Nähe. Es war so herrlich, beim Frühstück über den Tisch auf die Person gegenüber zu blicken und zu wissen, dass sie sich genau am richtigen Platz befand.
    Ihre Mutter wies zu dem Teetablett am Feuer. „Prudence, du kommst gerade richtig. Mrs. Fieldings hat uns vor einer Minute den Tee gebracht.“
    Mrs. Fieldings war ihre Haushälterin, und eine strengere, mürrischere Frau konnte man sich nicht vorstellen. Doch beim Backen konnte ihr niemand das Wasser reichen, was der Teller neben der Teekanne eindrucksvoll unter Beweis stellte. Jedes Gebäckstück war goldbraun und locker und mit glänzendem Zuckerguss überzogen. Im Zimmer duftete es verlockend nach warmer Butter und frischer Hefe.
    Prudence rang sich schließlich ein Lächeln ab. „Tee ist jetzt genau das Richtige. Ich bin wirklich ausgesprochen hungrig.“ Fragend sah sie den Arzt an. „Möchten Sie zum Tee bleiben?“
    Er wurde noch röter und sah wild von einer Frau zur anderen. „Ich ... ähm ... ich muss mich jetzt wirklich auf den Weg machen.“
    Prudence fragte sich, ob der Captain sich je so viel aus anderen Menschen machen würde, um zu erröten. Sie versuchte sich vorzustellen, wie er stotterte, doch es gelang ihr nicht. Aber schließlich konnte sie sich auch nicht vorstellen, dass er je höflich war.
    Der Mann war ein grober Klotz. Zum einen lag es an seiner Größe: Er überragte alle, und seine Schultern waren so breit, dass sie aussahen, als könnte er ein Schiff ebenso leicht tragen, wie er es kommandieren konnte. Sein Beruf zeigte sich in jedem geknurrten Befehl, in jeder unhöflichen Äußerung.
    Am meisten störte sie aber der Umstand, dass er so gleichgültig wirkte. Er war vollkommen zufrieden mit sich und seinen ungehobelten Manieren. Ihr fiel ein, wie er sie angesehen hatte, als sie zu ihm in den Garten getreten war -er hatte sie von Kopf bis Fuß gemustert und seinen Blick auf beunruhigende Weise auf ihr ruhen lassen. Unbehaglich rutschte sie auf dem Stuhl herum. Ihre Haut prickelte,

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