Korsar und Kavalier
der den Ersten Offizier in den Schuhen hätte erstarren lassen müssen.
„Der alte Earl?“ Prudence blinzelte. Himmel, was war denn hier los? „Jetzt bin ich verwirrt. Welcher Earl?“
„Der Earl of Rochester“, erläuterte Stevens und drehte sich ein Stückchen, sodass er den Captain nicht mehr sehen konnte. „Der alte Earl war der Vater des Käpt’n.“
Prudence wandte sich mit offenem Mund an Tristan. „Ihr Vater war ein Earl?“
Die Miene des Captains verfinsterte sich, bevor er mit schwerer Stimme sagte: „Mein Vater war ein fauler, wertloser Geck. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“ Erbost sah er zu Stevens. „Was haben Sie denn von Reeves zu berichten? Ich hoffe, er räumt all die Unordnung weg, die er in der Scheune gemacht hat.“
„Eigentlich dachte er, Mylord, dass er jetzt, wo Sie ihm noch einen Tag gegeben haben und die Soße ohnehin fertig ist, die Tafel genauso gut noch nutzen könnte. Er hat uns also alle zum Abendessen eingeladen. Sie natürlich auch.“ „Was?“
„Aye, Käpt’n! Grade hat er allen aufgetragen, weiße Tücher über die Tische zu legen, die seine Männer gebaut haben, und dann mit dem Porzellan zu decken, das in den Fässern auf dem letzten Karren verstaut war. Jetzt sind alle da drin, machen einen Höllenlärm und ängstigen den armen Winchester zu Tode. “
„Winchester?“, fragte Prudence. Ihr Atem ging immer noch stoßweise, und sie versuchte nach Kräften, sich von den jüngsten Ereignissen abzulenken.
„Winchester ist ein Kater“, erläuterte der Captain und warf ihr einen raschen Seitenblick zu.
Seine hellgrünen Augen sind so ungewöhnlich, so ... schön, dachte sie. Er hob die Augenbrauen, und seine Lippen verzogen sich zu einem selbstgefälligen kleinen Lächeln.
Prudence errötete noch ein bisschen tiefer, als ihr klar wurde, dass sie beim bewundernden Starren ertappt worden war. Eilig sagt sie: „Ich muss jetzt wirklich gehen.“
„Sie sind doch gerade erst gekommen“, wandte der Captain ein.
„Aye, Madam. Unser Winchester würde Ihnen gefallen. Er ist orange getigert und der beste Mauser, den wir je hatten.“ Stevens lachte leise. „Wir hatten Winchester an Bord der Victory, bis zum Ende. In all der Zeit haben wir auf See keine einzige Ratte zu Gesicht bekommen.“
Prudence rang sich ein Lächeln an. „Ist ja fabelhaft. Winchester hört sich nach einem großartigen Kater an.“ Irgendwie konnte sie sich nicht vorstellen, dass der Captain ... nein, der Earl sich um etwas so Profanes wie einen Kater kümmerte.
Sie versuchte sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass ihr Nachbar nicht ganz der war, für den sie ihn gehalten hatte. Trotzdem, diese Earlgeschichte kaufte sie ihnen nicht ganz ab. Allerdings wirkte der Captain selbst nicht allzu begeistert.
„Captain, wegen der Sache mit dem Earlstitel ...“
„Da gibt es keine Sache“, erwiderte Tristan genervt. Stevens wippte auf seinen Fersen zurück. „Ich kann mich noch an eine Ratte erinnern, die war so fett, dass sie das Hauptsegel ganz allein hätte hissen können!“
Prudence ließ sich ablenken. „Ach ja?“
„Ja, Madam“, bekräftigte Stevens, der sich für seine Geschichten zu erwärmen begann. „Ein Riesenvieh, ungefähr so groß wie ein Hund!“
Zu Tristans Entzücken stemmte Prudence die Hände in die Hüften. „Und wie sollte eine Ratte ein Segel hissen? Haben Sie ihre Pfötchen an ein Tau gebunden?“
„Natürlich nicht! Das klappt doch nie! Wir haben dem Tier aber ein kleines Geschirr aus Seilen gemacht, und damit hat es das Segel nach oben gezogen, sogar gegen den Wind. War verdammt ... oh,Verzeihung, Madam. Es war ein sehr putziger Anblick.“
Prudence maß Stevens von oben bis unten mit Blicken. „Haben Sie getrunken?“
Er blinzelte. „Aber nein, Madam. Es ist doch kaum zehn Uhr. Also, wenn jetzt Mittag wär, dann hätten Sie mich vielleicht erwischt.“
„Wenn Sie keinen Rausch haben, was veranlasst Sie dann, mir einen derart haarsträubenden Unsinn aufzutischen? Wie kommen Sie nur auf die Idee, ich könnte Ihnen auf den Leim gehen?“ Empört stieß sie die Luft aus. „Segelhissende Ratten! Als Nächstes wollen Sie mir noch weismachen, dass die Ratte auch am Ruder stand!“
„Eigentlich, Madam“, erklärte Stevens ernsthaft, „hatten wir eine Ratte, die Johnny Barns’ silberne Taschenuhr verschluckt hat und ... “
„Oh! Ich will von Ihnen kein Wort mehr hören!“ Sie fuhr zu Tristan herum, ehe der noch sein breites Grinsen
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