Kosaken Liebe
Überlebende!«
»Draußen ist noch einer«, sagte Muschkow. »Boris Stepanowitsch.«
»Der Adjutant? Das fröhliche Bürschchen? Wie kommt denn das?«
»Wir sind in geheimer Mission auf dem Weg zu den Stroganows«, sagte Muschkow, der auch manchmal gute Einfälle hatte. »Jermak geht es gut. Wir haben einen großen Sieg errungen, und jetzt schwimmt die Armee auf dem Tobol zum Irtysch und dann nach Sibir! Ist das eine Nachricht, ehrwürdiger Vater?«
»Komm an meine Brust!« Der Pope war gerührt. »Auch hier geht es voran! Das Christentum ist Balsam für die Heiden.«
Muschkow ritt hinaus vor die Palisaden und winkte Marina heran. Sie war abgestiegen und führte die erschöpften Pferde an den Zügeln.
»Ein guter Ort!« rief Muschkow. »Ich habe schöne Pferde gesehen. Sie gehören der Kirche, und da die Kirche den Menschen helfen soll, gehören sie folglich uns! Sollen wir sofort wechseln und weiterreiten?«
»Ich muß schlafen, Iwanuschka«, sagte Marina und lehnte sich gegen eines der zitternden Pferde. Die Augen fielen ihr zu. Ihr Gesicht war grau vom Staub der Steppe, klein und eingefallen wie ein Kindergesicht. »Zwei, drei Stunden Schlaf – mehr nicht! Können wir das?«
»Wir sind gut geritten, wir können es.« Muschkow legte den Arm um Marina und trug sie fast in das befestigte Lager. Der Pope lief ihnen entgegen, küßte Marina dreimal auf die staubigen Wangen, beteuerte, daß er sich freue, Jermaks beste Freunde als Gäste zu haben und ahnte nicht, daß man ihm die Pferde stehlen wollte …
In der Hütte, die Wohnraum, Schlaf- und Kirchenraum zugleich war, stand eine Ostjakenfrau am gemauerten Herd und kochte eine Kohlsuppe. Sie war der erste Täufling gewesen, eine Witwe, deren Mann die Kosaken erschlagen hatten, als sie diese Station gründeten.
»Erzählt …«, sagte der Pope, als Muschkow und Marina gegessen und ein Maisbier getrunken hatten, das die Leute hier brauten und das sehr erfrischte. »Wie geht es Oleg Wassiljewitsch?«
»In zwanzig Jahren wird es in Sibirien eine eigene Armee aus Kulakows Kindern geben!« rief Muschkow fröhlich. Das Bier, vorher auf nüchternen Magen getrunken, ließ ihn in alte, herrliche Kosakenzeiten zurückfallen. Einen Augenblick lang vergaß er Marina Alexandrowna und flocht eine Betrachtung an den Satz, die sich mit Oleg Wassiljewitschs unerhörter Männlichkeit beschäftigte, bei derem bloßen Anschauen jedem Weibchen die Augen tränten. Erst als Marina ihm unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein gab, grunzte er, schielte zu ihr hinüber und sagte mit verlegenem Grinsen: »Schweigen wir darüber, ehrwürdiger Vater. Wir haben einen noch unerfahrenen Burschen am Tisch. Hei, wie gut die Suppe schmeckt!«
Nach dem Abendgebet, zu dem einige Ostjaken in die Station kamen, dem Popen Lebensmittel brachten und sich segnen ließen – wegen des ewigen Lebens! –, wurde das Palisadentor geschlossen, und man legte sich nieder.
Marina schlief sofort ein. Muschkow legte sich neben sie und tastete unter der Decke nach ihrer Hand. Sie streckte sich noch einmal, aber schon als Muschkow sie beide zudeckte, atmete sie gleichmäßig und hatte die Welt vergessen. Als auch der Pope schnarchte, leise pfeifend, nicht so donnernd wie Oleg Wassiljewitsch, legte er vorsichtig eine Hand über ihre Brüste. Es war ein Stück Seligkeit, so einzuschlafen.
In der Nacht weckte sie ein Hämmern am Tor und eine brüchige Stimme, die immer wieder schrie: »Macht auf! Liegt ihr auf den Ohren? Macht auf!«
Der junge Pope erwachte als erster, ging hinaus, blickte durch eine Ritze in der Palisade und erkannte in dem erschöpften alten Mann draußen Alexander Grigorjewitsch Lupin.
»Die Wunder hören nicht auf!« rief der Pope und drückte das Tor auf. Er umarmte Lupin und zog ihn in das befestigte Lager. »Oleg Wassiljewitschs Schatten! Bist du auch in geheimer Mission unterwegs nach Rußland? Vielleicht sogar zum Bischof von Uspensk?«
»Die anderen sind also bei dir, Brüderchen?« Lupin schwankte in die Kirchenhütte. Noch zehn Schritte, dachte er, und ich falle um. Ich habe keine Knochen mehr … Bin ich noch ein Mensch? Unmöglich, ein Mensch konnte diesen Ritt nicht überleben!
»Sie schlafen.« Der Pope zeigte auf die beiden auf dem Boden liegenden Gestalten. »Soll ich sie wecken?«
»Nein, nein, laß sie ruhen.« Lupin wankte zu Muschkow und Marina, ließ sich neben ihnen nieder, nahm den Becher mit Maisbier und eine Schüssel mit kalter Kohlsuppe, trank und aß
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