Kosaken Liebe
könnt! Reitet durch die ganze Welt … ich komme irgendwann einmal hinterher!‹ Irgendwann … das braucht noch nicht heute zu sein, Marinuschka.«
»Er läßt uns nicht allein …«
»Oleg Wassiljewitsch wird ihn festgehalten haben …« Er beugte sich aus dem Sattel, griff nach Marinas Kopf, zog ihr Gesicht zu sich empor und küßte sie. »Erst bist du deinem Vater weggelaufen«, sagte er, »jetzt klebst du an ihm!«
»Ich habe dich bekommen, Iwanuschka«, antwortete sie zärtlich und hielt seine Hand fest. Sie küßte die Handfläche und schmiegte dann ihr Gesicht hinein. »Du bist ganz der geworden, den ich wollte! Jetzt ist ein Vater wieder nötig …« Sie lächelte ihn traurig an. »Weißt du, wie oft er mir in den zwei Jahren geholfen hat? Ich weiß nicht, wie alles gekommen wäre, wenn er uns nicht nachgeritten wäre. Und jetzt sollen wir ihm davonreiten?«
»Jermak hat längst seine Verfolger ausgeschickt!«
»Hast du Angst vor ihnen?«
»Ich habe immer nur Angst um dich.«
»Bitte, steig auf!« sagte Muschkow, als sie seine Hand losließ und einen Schritt von den Pferden wegging. Die Nacht war ganz still, sogar die Steppenmäuse piepsten nicht, und Zikaden schien es hier auch nicht zu geben. »Wir haben einen Weg durch die Hölle vor uns. Wir müssen im Permer Land sein, bevor es Winter wird.«
Der Morgen graute, sie hatten den Fluß wieder erreicht und ritten nun am Ufer entlang. Sie kamen durch Siedlungen von Ostjaken, ein paar Kinder starrten sie an, die Frauen rissen sie an sich und flüchteten in armselige Zelte, und die Männer standen finster blickend herum und warteten, was die zwei einsamen Kosaken wohl hier wollten. Tribut eintreiben … Dazu waren sie zu wenige. Da erschienen sie immer in größeren Trupps, gegen die es dann keine Gegenwehr gab.
»Den Säbel heraus und mit Geschrei durch das Dorf!« sagte Muschkow und riß seinen Kosakensäbel aus der Sattelschlinge. »Sie bleiben nur ruhig, wenn sie sehen, daß wir die Mutigeren sind!«
Sie schwangen also die Säbel, richteten sich im Sattel hoch, ließen die Gäule galoppieren und rasten mit schrillem Geschrei durch die Ostjakensiedlung.
Kein Speer folgte ihnen nach, kein Pfeil, nicht einmal die Fäuste hoben die schlitzäugigen Männer gegen die beiden Reiter. Sie waren froh, daß es beim Schreien blieb. Sie warteten noch, ob die beiden zurückkämen; und als das nicht geschah, nahmen sie ihre Arbeit wieder auf.
Vier Stunden später ritt ein dritter Fremder mit zwei Packpferden durch die gleiche Siedlung. Der Mann, ein Väterchen mit weißem Haar, hielt an und beugte sich müde aus dem Sattel. Es schien, als könne er sich kaum noch aufrecht halten.
»Zwei Männer?« fragte er mit den wenigen Worten der jakutischen Sprache, die er auf dem Weg zum Tobol gelernt hatte.
»Ja!« Die Ostjaken zeigten nach Westen. »Zwei und noch zwei leere Pferde.«
Der Alte nickte dankbar, winkte und ritt weiter.
Ich bin auf ihrer Spur, dachte er glücklich. Man ist doch wirklich ein alter Wolf …
Wiederum fünf Stunden später ging es nicht so glimpflich ab.
Sechs Kosaken mit zehn Packpferden fielen in dieselbe Ostjakensiedlung ein, verprügelten die Bewohner, plünderten die armseligen Zelte, steckten sie in Brand und fragten dann erst: »Sind hier drei Männer durchgekommen?«
Die Ostjaken nickten eifrig. »Nach dort!« sagten sie einmütig und zeigten in die Steppe, vom Fluß weg. Es war die falsche Richtung, eine Richtung, die in eine grenzenlose Weite führte. Dort gab es keine Menschen mehr, wenigstens wußte man von keinen, die dort leben konnten. Der Fluß und die Wälder waren dort alles Leben …
Die sechs Kosaken bedankten sich, indem sie noch einmal auf die Ostjaken einprügelten, berieten sich dann und fanden es merkwürdig, daß Muschkow nicht in gerader Richtung zum Ural geritten sein sollte. Aber es mußte wohl so sein … Ein von den Kosaken geschlagener Mensch sagt doch immer die Wahrheit …
Als sie merkten, daß die Richtung doch falsch war, hatten sie vier Stunden verloren. Fluchend kehrten sie in einem Bogen zum Fluß zurück und schworen sich, jedem Schlitzäugigen die Augen rund zu schlagen.
Ein Tag lag zwischen Muschkow und Marina und den sechs Kosaken. Zwölf Stunden nur … und was ist das schon in der Weite Rußlands und in den Klüften des Ural?
Auf dem Tobol schwamm unterdessen die große Flotte Jermaks der Streitmacht Mametkuls entgegen. Um Sibir herum wartete Kutschum, der sibirische Zar, mit seiner
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