Kosakensklavin
eilten sie geduckt durch das schlafende Dorf, erschraken, wenn einer der Hunde anschlug und erreichten mit fliegendem Atem die Pferdekoppel. Tanja hatte die beiden Stuten schon gesattelt. Es waren starke, ausdauernde Tiere, die willig jedem Schenkeldruck gehorchten.
Sie ritten auf schmalem Pfad durch den Wald zum Hauptarm des Dnjepr und folgten dem Lauf in nördlicher Richtung. Bewundernd stellte Sonja fest, dass Tanja mit dem kleinen Kosakenpferd verwachsen zu sein schien, so leicht und selbstverständlich ritt sie voraus. Wäre Sonjas Pferd nicht aus eigenem Antrieb gefolgt, sie hätte Probleme gehabt, das Tier durch die gefährlich schmalen Furten zu treiben, in denen das Wasser den Reiterinnen bis zu den Knien reichte, und die Strömung den Pferden die Beine wegreißen wollte.
Sie folgten dem Flusslauf nur kurze Zeit, dann bogen sie in westlicher Richtung ab und ritten auf verschlungenen Wegen durch den Wald. Es wurde nur wenig gesprochen. Sonja wusste, dass sie damit rechnen mussten, dass Andrej ihnen im Morgengrauen folgen würde, um sie zurückzuholen. Es galt, einen Vorsprung zu gewinnen.
Erst gegen Mittag gönnten sie sich und den Pferden eine kurze Rast an einem kleinen Bachlauf, ließen die Tiere saufen und aßen ein wenig von ihren Vorräten. Die Sonne brannte heiß auf die kleine Lichtung, Insekten umsummten sie, kleine graue Fische tummelten sich im Bach. Sonja war schweißgebadet, sie tauchte die Hände ins kühle Wasser, um sich das Gesicht zu nässen, während Tanja schon die Satteltasche packte.
„Weiter - wir müssen uns beeilen. Andrej wird alles daransetzen, uns einzufangen.“
Sie ritten bis zum späten Nachmittag, erreichten eine weite, sumpfige Ebene und hielten sich am Waldrand, um sich jederzeit hinter den Bäumen verbergen zu können. Die niedrigen Holzdächer kleiner Dörfer waren zu sehen, Kirchen mit runden Zwiebeltürmchen, Scheunen und einsame Hütten. Sie hielten sich nirgendwo auf, kehrten bei niemandem ein. Es war sicherer, keine Spuren zu hinterlassen.
Kurz vor Einfall der Dunkelheit ruhten sie sich am Ufer eines kleinen Sees aus, ließen die Pferde grasen und streckten sich ins hohe Gras.
„Wir werden bis Mitternacht durchreiten“, verkündete Tanja und reichte Sonja die karge Mahlzeit, die aus Piroggen und Brot bestand. „Dann schlafen wir ein wenig. Übermorgen sind wir in Pereschkowo.“
Sonja mümmelte trockenes Brot und spülte es mit einem Schluck Wasser hinunter.
„Wenn Baranow noch dort ist ...“, murmelte sie müde. „Er hat einen großen Besitz nicht weit davon, Welikowo genannt. Er könnte auch längst in St. Petersburg sein .“
„Wir werden ihn schon finden“, unterbrach Tanja ungeduldig. „Und wenn nicht, dann wirst du zu Mütterchen Zarin gehen und sie um Andrejs Leben bitten. Sagtest du nicht, dass sie freundlich zu dir war?“
Sonja seufzte. „Ich habe auch daran gedacht, dies zu tun. Aber viel Hoffnung habe ich nicht. Die Zarin war freundlich zu mir - ja. Aber sie wird sich von einer wichtigen Entscheidung nicht durch eine kleine, unbedeutende Hofdame abbringen lassen. Baranow dagegen ist einer, der Einfluss auf sie hat. Sie schätzt ihn als Ratgeber, auch hat er viele Menschen bei Hofe in seiner Hand. Er könnte die Zarin vielleicht überreden, Andrej das Leben zu schenken.“
Tanja stopfte sich eine Pirogge in den Mund und kaute bedächtig.
„Warum hasst du ihn eigentlich so? Ist er so widerwärtig?“, wollte sie neugierig wissen.
Sonja war schon die bloße Erinnerung an Baranow zuwider. Sie schüttelte sich. „Es wird schrecklich sein, wenn ich zu ihm zurückkehre“, sagte sie leise. „Er ist der Teufel selbst. Aber ich tue es, um Andrejs Leben zu retten.“
„Der Teufel selbst!“, ließ sich Tanja vernehmen. „Was für Teufeleien treibt er denn?“
„Er hat mich im Bad überfallen und wollte mich zwingen, ihm zu ... ihm zu ...“ Sie fand die Worte nicht, um den Schrecken zu beschreiben, der sie damals befallen hatte, als Baranow sie aus der hölzernen Wanne riss. „Er hat mich mit der Kantschu geschlagen“, stammelte sie. „Er hat mich gezwungen, mich nackt vor ihm zu zeigen. Er hat . er ist .“
„Aha“, sagte Tanja. Es klang wenig beeindruckt, und Sonja schwieg.
„Er ist nicht gerade dein Fall, oder?“
„Nein, wirklich nicht“, gab Sonja schaudernd zurück. „Er treibt es ganz sicher mit all den armen Mägden und Frauen aus seinen Dörfern.“
„Schau an“, meinte Tanja wortkarg. „So einer ist
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