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Kosmologie für Fußgänger

Kosmologie für Fußgänger

Titel: Kosmologie für Fußgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lesch
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Kilometer von seiner ursprünglichen Position entfernt. Allerdings kann man ein Objekt immer nur von einem der Endpunkte dieser Basis beobachten. Vom anderen Punkt aus müsste man teilweise durch die Erde hindurchsehen. Den Astronomen bleibt also nichts anderes übrig, als sich mit einer kürzeren Basis zu bescheiden, von deren beiden Endpunkten man freie Sicht auf das angepeilte Objekt hat. Dennoch versucht man natürlich die Länge der Basis möglichst auszudehnen, um die Genauigkeit der Winkelmessung zu erhöhen.
    Üblicherweise peilt man ein Objekt von zwei festen Standpunkten auf der Erde an, deren Entfernung bekannt ist. Man könnte aber auch die Winkelmessung von nur einem Punkt aus vornehmen und sie nach einigen Stunden wiederholen. Da sich die Erde in dieser Zeit ja gedreht hat, liegen die Beobachtungspunkte eine Strecke voneinander entfernt, die man aus der geografischen Breite des Beobachtungsstandortes und der Zeit zwischen den beiden Messungen berechnen kann. Objekte, die auf diese Weise beobachtet werden, zeigen aufgrund der Erdrotation eine so genannte tägliche Parallaxe, also eine scheinbar tägliche Verschiebung vor dem Fixsternhimmel. Mit beiden Verfahren vermag man jedoch nur die Entfernung relativ naher Objekte wie des Mondes oder der Planeten zu bestimmen.
    Für weit entfernte Sterne braucht man beträchtlich längere Basen als die, die auf der Erde realisiert werden können. Doch auch ohne die Erde zu verlassen, kann man die Basis auf eine maximale Länge vergrößern, die dem Durchmesser der Erdbahn entspricht. Prinzipiell geht das relativ einfach. Die erste Winkelmessung führt man in einer klaren Nacht im April durch. Dann fährt man ein halbes Jahr in Urlaub und kehrt im Oktober wieder in die Sternwarte zurück, um die zweite Messung vorzunehmen. In der Zwischenzeit hat die Erde die Sonne zur Hälfte umrundet und steht nun genau auf der anderen Seite unseres Zentralsterns. Da der Abstand der Erde zur Sonne rund 150 Millionen Kilometer beträgt, ist man also im Oktober, obwohl immer noch am selben Ort auf der Erde, 300 Millionen Kilometer von seinem ersten Beobachtungsstandort entfernt. Sterne, die von diesen beiden Punkten aus betrachtet werden, zeigen eine so genannte jährliche Parallaxe. Die Basis ist jetzt schon so groß, dass man damit sogar die Entfernung zu nahe gelegenen Fixsternen bestimmen kann.
    Der uns am nächsten gelegene Fixstern, der rötliche Begleiter von alpha-Centauri, heißt Proxima-Centauri. Er hat eine jährliche Parallaxe von 0,76 Bogensekunden. Das sind rund 0,2 Tausendstel von einem Grad. Damit beträgt seine Entfernung von der Erde 40 000 Milliarden Kilometer oder 270 000-mal die Distanz Erde-Sonne. Wenn man sich die Erdbahn (ein Radius von etwa 150 Millionen Kilometern) als einen Golfball vorstellt, dann wäre Proxima-Centauri etwa fünf Kilometer entfernt, und die Sonne hätte einen Durchmesser von 0,1 Millimeter – kein Wunder also, dass die Sterne nicht zusammenstoßen bei diesen Abständen.
    Proxima-Centauri ist, wohlgemerkt, der unserem Sonnensystem am engsten benachbarte Stern! Man sieht schon, dass es die Astronomie mit fast unaussprechlichen Entfernungen zu tun hat. Um nicht immer diese langen Zahlenschwänze hinschreiben oder aussprechen zu müssen, erleichtert man sich das Leben, indem man sich einfach auf die Lichtgeschwindigkeit bezieht. Licht breitet sich ja mit 300 000 Kilometern pro Sekunde aus, das heißt: Pro Sekunde legt es eine Entfernung von 300 000 Kilometern zurück. In einem Jahr, dem so genannten Lichtjahr, sind das dann 300 000 x 3600 x 24 x 365, also rund 9,5 Billionen Kilometer! Jetzt ist die Sache schon einfacher: Die Entfernung zu alpha-Centauri entspricht 4,3 Lichtjahren. Andererseits bedeutet das, dass wir erst nach 4,3 Jahren mitbekommen, wenn jemand auf alpha-Centauri eine Taschenlampe anknipst!
    Die Winkel, die man bei weit entfernten Sternen messen muss, sind winzig klein, Bruchteile von Bogensekunden, nicht selten weniger als ein Millionstel Grad. Derartig kleine Winkel lassen sich recht gut veranschaulichen durch die riesige Entfernung, aus der man eine Basis definierter Länge betrachten muss, damit sie unter diesem winzigen Winkel erscheint. Als Normbasis haben die Astronomen eine Strecke gewählt, die dem Radius der Erdbahn um die Sonne entspricht. Die Entfernung, aus der man diese Basis unter dem Winkel von einer Bogensekunde sieht, beträgt rund 30000 Milliarden Kilometer oder mit dem soeben eingeführten Lichtjahr 3,26

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