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Kosmologie für Fußgänger

Kosmologie für Fußgänger

Titel: Kosmologie für Fußgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Lesch
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Schwarze Loch zu stürzen. Weil sich eben alles dreht, stürzt es nicht zusammen.
    Zu einem echten Abschluss dieses Kapitels fehlen uns die Worte. Es bleibt das
    Ultimatum
     
    Und so sag’ ich zum letzten Male:
Natur hat weder Kern noch Schale;
Du prüfe dich nur allermeist,
Ob du Kern oder Schale seist!
     
    Johann Wolfgang von Goethe,
»Gott und die Welt«

Wie bestimmt man Entfernungen im Universum?
    Epirrhema
     
    Müsset im Naturbetrachten
Immer eins wie alles achten;
Nichts ist drinnen, nichts ist draußen:
Denn was innen, das ist außen.
So ergreifet ohne Säumnis
Heilig öffentlich Geheimnis.
     
    Johann Wolfgang von Goethe
    In Astronomievorträgen vor breitem Publikum, in denen wie selbstverständlich von den riesigen Entfernungen zu den Sternen und Galaxien die Rede war, melden sich am Ende garantiert zwei Zuhörer. Der erste fragt: »Können Sie sich die riesigen Entfernungen eigentlich vorstellen? Sie gehen mit Milliarden und Billionen um wie ich mit Metern und Zentimetern. Für mich als Laien ist ein Lichtjahr unvorstellbar groß. Können Sie mir helfen?« Offen gesagt, können wir nicht. Für uns Astronomen sind die gigantischen Dimensionen des Universums unser tägliches Brot. Es sind nur Zahlen, und um ganz ehrlich zu sein, wir haben auch noch nie probiert, uns vorzustellen, wie lange ein Lichtjahr ist. Komisch eigentlich, aber so sind die Astronomen.
    Der zweite Fragesteller ist da schon näher am astronomischen Gedankengut. Er erkundigt sich: »Woher wissen Sie denn eigentlich, wie weit es zum nächsten Stern ist? Im Universum gibt es doch keine Wegweiser, auf denen steht: Nach alpha-Centauri von hier 4,3 Lichtjahre!« Das ist eine Frage nach dem Geschmack des Astronomen. Wenn die Zuhörer für diesen Abend nichts mehr geplant haben, dann können wir gleich mit einem weiteren zweistündigen Referat beginnen. Denn was sich die Astronomen im Laufe der Zeit alles haben einfallen lassen, um Entfernungen zu messen, das kann man nicht mit ein paar Worten abtun, denn die Distanzen im Universum sind nicht nur große Zahlen, sondern auch ein großes, ein sehr großes Thema. Schließlich hängen unsere modernen Vorstellungen vom Aufbau, vom Alter und von der Entwicklung des Universums davon ab, wie groß die Distanzen zu den Himmelskörpern sind. Wüssten wir nicht, wie ungeheuer weit weg die Sterne sind, wären uns alle Möglichkeiten genommen, Astronomie zu betreiben, denn ohne die Kenntnis der Entfernungen hätten wir keine Ahnung von den Leuchtkräften der Sterne und Galaxien, wir hätten keine Ahnung von den gigantischen Energien, die von den stellaren Brutöfen freigesetzt werden, und wir wären deshalb auch nie zu der Frage vorgestoßen, woher Sterne ihre Energie beziehen. Heute wissen wir, die Energie wird aus der Verschmelzung von Atomkernen gewonnen.
    Kurz und gut, ohne die Kenntnis der Distanzen zu den Himmelskörpern wären wir in der Astronomie völlig hilflos und in vielen Bereichen der irdischen Physik ahnungsloser. Deshalb ist die Bestimmung der Entfernungen und der Ausmaße des Kosmos nicht nur eines der wichtigsten Themen der Himmelskunde, sondern der Naturwissenschaften überhaupt, denn die Größe des Universums und seiner Bestandteile ist ein wesentlicher Baustein im modernen naturwissenschaftlichen Weltbild.
    Seit die Menschen die Geheimnisse des Himmels zu enträtseln versuchen, gehört die Bestimmung der Entfernungen zu den diversen Objekten im Universum zu den schwierigsten Aufgaben der Astronomie. Anfangs war nicht mal klar, ob es sich bei den Sternen um ausgedehnte Körper handelt oder bloß um, warum auch immer, grell leuchtende Punkte am Himmel. Vor allem hatte man keine Ahnung, ob all diese Pünktchen gleich weit von der Erde weg waren, zum Beispiel angeheftet an einer kristallenen Sphäre, so wie es noch Ptolemäus glaubte, oder ob sie etwa in der Tiefe gestaffelt waren und folglich auch unterschiedlich hell und groß sein konnten. Am Beispiel der Entfernungsbestimmung lässt sich wunderbar erläutern, wie sich unser Weltbild mit den Beobachtungen veränderte. Es ist eine dieser beeindruckenden Erfolgsgeschichten naturwissenschaftlicher Forschung, die zwar mit einigen intellektuellen Sackgassen gespickt ist, in der sich aber letztlich der gesunde Menschenverstand gegenüber religiösem oder philosophischem Dogmatismus durchgesetzt hat. Aber wir wollen noch nicht alles verraten, sondern fangen wie üblich wieder ganz von vorne an.
    Wie meistens hat alles relativ

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