Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
gefrorener Panik. Zwar weißt du, daß dir im Prinzip nichts geschehen kann, denn du bist Kosmone und als solcher unsterblich, aber da gibt es die eine Frage, auf die du die Antwort nicht kennst: Was fängst du an mit der verdammten Unsterblichkeit, wenn dich der leere Raum nicht wieder hergibt?
Immer wenn ich in diese Stimmung geriet - und das geschah immer öfter, seitdem Janus sich mit einem letzten Flirren von uns verabschiedet hatte und die Uhr an der Kette über dem Cockpit nicht mehr tickte - überprüfte ich am Bordcomputer Kurs und Geschwindigkeit. Nicht, daß mir am Ankommen besonders gelegen war, aber die Ordnung hatte etwas Beruhigendes. In den Abläufen war zuletzt eine gewisse Regelmäßigkeit zu erkennen gewesen, und fast hätte ich mich daran gewöhnen können. Das war nun vorbei. Die große Leere hatte mich wieder, und die Zeit hatte keine Macht mehr über mich. Ich befand mich in einem Niemandsland der Empfindungen. Daher wohl mein Bedürfnis, die Tage zu ordnen.
Denn alles andere, was ich tun konnte, wenn ich nicht gerade mit Tamara im Bett lag, machte meinen Seelenzustand nur noch chaotischer, so auch der Versuch, die große Leere mit irgendwelchen freundlichen Bildern zu füllen. Es gab so viele, an die ich mich erinnern wollte - aber bevor die Bilder Konturen gewannen, verwehten sie wie Rauch.
Und irgendwann gab ich das auf und überließ mich der vertrauten Gedankenleere und den Genüssen des Fleisches - ein erschöpfter Sisyphos , der den schweren Stein nur zu bereitwillig eintauschte gegen einen Krug mit Honig.
In dieser seelischen Verfassung überraschte ich Tamara, als sie sich am Bordcomputer zu schaffen machte. Ein Blick genügte, um mich wissen zu lassen, was sie da trieb. Die SCOUT lag nicht mehr auf Kurs.
Ich entsann mich: Irgendwann beim Verlassen von Astropol hatte ich den Kurs eingegeben, doch warum und wieso ich das getan hatte, war längst in Vergessenheit geraten, und es aus dem hintersten Winkel des Gedächtnisses hervorzukramen, war mühsam und lästig. Und so war ich, als ich Tamara vom Schemel zog, in keiner Weise bestürzt. Ich war nur wütend.
„ Laß die Finger von den Instrumenten oder frag gefälligst!"
Ich nahm ihren Platz ein. Tamara ließ ihr aufreizendes Lachen hören.
Als ich mich wieder erhob, zog die SCOUT der ursprünglichen Bestimmung entgegen: ISS 113.
„Mark, du bist ein Narr. Was gibt's, das ich dir nicht geben kann?"
In ihren Augen spielten wieder die violetten Lichter, ihr Mund kam mir verheißungsvoll entgegen - und der kleine Zwischenfall war bereits vergessen.
Es war wie immer und doch immer wieder anders. Tamaras unerschöpfliche Phantasie erfand immer neue Spiele, mit denen sie meine fleischlichen Gelüste bis zur Ekstase steigerte. Diesmal war sie unersättlich und ließ erst von mir ab, nachdem sie mich bis auf den buchstäblich letzten Tropfen ausgequetscht hatte. Danach war sie kaum weniger erschöpft als ich. Zu meinen Füßen rollte sie sich zusammen wie eine gesättigte Katze und schlief schnurrend ein. Aus den Tiefen des Schlafes stieg dann und wann ihr Lachen und wehte wie ein aufregender Sturmwind durch meine Wachträume, in denen sich neuerliches Begehren mit dem alten Bedauern vermengte, daß ich daheim in Cosmopol bereits die Unfaßbarkeit einer ganzen Ewigkeit vergeudet hatte, ohne Vergleichbares erfahren zu haben.
Seit meinem Aufbruch ging es mir besser als je zuvor, und dennoch gab es tief in mir - wieder einmal so, daß ich es nicht fassen konnte -eine wunde Stelle, eine rastlose Sehnsucht. Bei aller Befriedigung, die mir die wilden Spiele des Fleisches verschafften, blieb etwas unerfüllt, ein schwärender Rest. Und eine Ahnung war da: daß ich es nur finden müßte , um im Einklang zu sein mit mir selbst und der Vollkommenheit der Lust.
Mit diesem Verlangen nach Einklang und Vollkommenheit schlief ich ein.
„Du."
Ich fuhr hoch.
Aus irgendeinem anderen Leben war das gekommen, mit dem Klang einer vertrauten Stimme, dies eine Wort:
Plötzlich war ich hellwach. Und obwohl ich sofort wußte , daß ich das Fehlende gefunden hatte, vermochte ich es nicht einzuordnen.
Ich machte Licht. Tamara schlief tief und fest. Sie schlief mit leicht gespreizten Schenkeln. Der feuchte Flaum schimmerte seidig. Unter meinen Blicken öffneten sich die Lippen und ließen mich das makellose Perlmutt der Zähne sehen. Aber Tamara sprach nicht. Sie schlief. Sie schlief mit der unbewußten Grazie einer Wildkatze.
Aber jemand hatte
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